May 20, 2024

Richterin, Staatsanwältin und Verteidiger sind sich einig: Diese Frau (39) gehört nicht ins Gefängnis, sondern braucht unbedingt einen Platz in einer geeigneten Klinik.

Am Bezirksgericht Hinwil waren sich Richterin, Staatsanwältin und Verteidiger einig.

Darum gehts

  • Eine 39-jährige IV-Rentnerin wird in eine Klinik eingewiesen (kleine Verwahrung).

  • Sie hat Nachbarschaft und Ämter mit einer Unzahl von Delikten drangsaliert.

  • Die Schweizerin sieht ein, dass sie unbedingt behandelt werden muss.

Die 39-jährige IV-Rentnerin aus dem Zürcher Oberland bringt Psychiater, Sozialbehörden, Polizei und Justiz zum Verzweifeln und beschäftigt die Ämter seit Jahren.

Mitte April stand sie vor Gericht. In der Anklageschrift wird ihr eine Liste von 35 Delikten vorgeworfen. Drohung, Tätlichkeit, Nötigung, Sachbeschädigung, falscher Alarm und arglistige Sachbeschädigung und vieles mehr. Die Vorfälle hat sie zwischen März und August 2023 verübt. Dies sei nur die Spitze des Eisberges, wie die Staatsanwältin am Prozess vor dem Bezirksgericht Hinwil damals sagte.

So bestellte die Schweizerin auf Namen und Rechnung einer betagten Nachbarin in mindestens zwei Dutzend Fällen Pizzas, Sexspielzeug, Bücher und weitere Gegenstände. Sie klebte mit Ketchup verschmierte Damenbinden an die Haustüre und die Briefkästen vom Mehrfamilienhaus, in dem sie wohnte. Sie warf rohe Eier gegen die Liegenschaft, verschmierte den Lift mit Mayonnaise und Zahnpaste. In einem anderen Fall drohte sie einer Hundehalterin, dass sie die Frau und ihren Hund töten werde, und verschmierte einer Passantin den Mantel mit Mayonnaise.

Falscher Feueralarm sorgte für Grossaufgebot

Im Weiteren rief die IV-Rentnerin aus einer psychiatrischen Klinik innert vier Tagen 172 Mal die Notrufnummer 117 an, an einem anderen Tag waren es knapp hundert Mal. Das gravierendste Delikt war ein falscher Feuerwehralarm. Sie gab unter einem falschen Namen an, dass es im Coiffeursalon gegenüber ihrer Wohnung brenne. Die Rettungskräfte rückten mit einem Grosseinsatz von 27 Feuerwehrleuten, zwei Sanitätswagen und vier Polizisten aus. Laut Anklage hat sie dies zu ihrer Belustigung gemacht und die Rettungskräfte vor Ort beschimpft.

Am Prozess Mitte April zeigte sich die Frau geständig. Sie hat vor kurzem zwei Suizidversuche verübt, wie sie sagte. Dank Notarzt und Notfall-App hat sie überlebt: «Ich komme mit meinem Leben nicht zu Recht», sagte die Frau. Sie sieht selber ein, dass sie unbedingt einen geeigneten Platz in einem Pflegeheim mit Betreuung braucht. Momentan hat sie ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft. Sie wird von einer Beiständin und der Psychiatrie-Spitex unterstützt.

Hohe Rückfallgefahr

Die Staatsanwältin verlangte eine unbedingte Freiheitsstrafe von 16 Monaten, die zugunsten einer stationären Therapie aufgeschoben werden soll. Die Frau leidet laut psychiatrischem Gutachten unter einer leichten Intelligenzminderung und einer emotionalen instabilen Persönlichkeitsstörung. Die Rückfallgefahr sei sehr hoch. Eine eigentliche Heilung sei nicht möglich. «Sie braucht eine angepasste Behandlung mit Betreuungskonzept in einem Pflegeheim», sagte die Staatsanwältin.

Die Beschuldigte sei schon in vielen Institutionen gewesen, aber wegen ihres Verhalten jeweils wieder ausgewiesen worden und auf der Strasse gelandet. «Dann wurde sie auf Kosten der Steuerzahler von den Sozialbehörden in einem Hotel einquartiert oder sie hat sich selber in ein Spital eingewiesen.» Dies müsse verhindert werden, es brauche jetzt ein gerichtliches Urteil, das für die Frau eine stationäre Massnahme anordnet und sie falls nötig auch gegen ihren Willen behandelt wird. «Bis jetzt ist die Frau durch alle sozialen Netze gefallen», fasste die Staatsanwältin zusammen. Dem pflichtete auch der Verteidiger zu: «Meine Mandantin handelt nicht aus schlechtem Willen, sondern sie hat massive Probleme. Sie braucht Hilfe.»

Dem Wunsch folgte die Einzelrichterin, wie aus dem kürzlich verschickten schriftlichen Urteil zu entnehmen ist. Die Beschuldigte wird zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, aufgeschoben zugunsten einer stationären therapeutischen Massnahme, sogenannte kleine Verwahrung.

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