July 27, 2024

Anhänger von Ex-Premier Imran Khan im pakistanischen Peshawar.

Kurz nachdem die Wahllokale in Islamabad geschlossen hatten, knallte es. Schuld daran waren dann aber doch nur acht junge Männer, die zusammengequetscht auf drei kleinen Motorrädern sassen und ihre Auspuffrohre auf der Fazal-e-haq-Road knattern liessen, während sie «PTI»-Fahnen schwenkten.

PTI steht für die «Pakistan Tehreek-e-Insaf»-Partei des inhaftierten Imran Khan. Der ehemalige Premierminister wurde vor der Wahl mit einer Reihe von Anklagen überhäuft und sitzt im Gefängnis. Von dort aus machte er Wahlkampf.

Ein Avatar machte Wahlkampf

Mithilfe künstlicher Intelligenz erstellten seine Anhänger Videos, in denen ein Avatar von Khan die von ihm verfassten Reden hielt. Auch seine Partei war von der Teilnahme ausgeschlossen worden. PTI-Mitglieder konnten nur als unabhängige Kandidaten antreten.

Als am Freitagnachmittag dann, mehr als 24 Stunden nach dem Ende der Wahl, endlich die Ergebnisse von mehr als der Hälfte der Wahlbezirke bekannt gegeben wurden, sah es plötzlich so aus, als hätten die Männer mit den PTI-Fahnen guten Grund zum Feiern. Die von Khan unterstützten Kandidaten haben nach den bisherigen Auszählungen die meisten Sitze gewonnen. Von 136 Mandaten, die bis zur Mittagszeit ausgezählt waren, gingen bislang 49 an sie, wie die pakistanische Wahlkommission der Nachrichtenagentur Reuters mitteilte.

Mit wem wird er regieren? Ex-Premier Nawaz Sharif in Lahore.

Dass diese Meldung gemacht wurde, ist ein gutes Zeichen, dass die Auszählung einigermassen sauber verläuft. Denn das Ergebnis stellt den eigentlich vorab gesetzten Wahlsieger Nawaz Sharif (74) und das ihn stützende Militär vor Probleme. Sharifs Pakistan Muslim League hatte bis zum Mittag nur 42 Sitze gewonnen. Die Pakistan Peoples Party mit ihrem Spitzenkandidaten Bilawal Bhutto Zardari, dem Sohn der ermordeten ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto, kam auf 34 Sitze.

Das pakistanische Wahlsystem ist ausgesprochen kompliziert. Unabhängige Kandidaten dürfen keine Regierung bilden. Sie können sich aber nach der Wahl aussuchen, wen sie unterstützen wollen. Nach den heftigen Auseinandersetzungen der vergangenen Monate dürften es schwierige Verhandlungen werden.

Khan beschuldigt die Generäle

Imran Khan, einst als Hoffnungsträger gestartet, hat sich mit dem mächtigen Militär des Landes überworfen. In einer beispiellosen Auseinandersetzung beschuldigte Khan die Generäle, einen Anschlag auf ihn in Auftrag gegeben zu haben. Er trieb die Regierung von Shehbaz Sharif, dem Bruder des nun angetretenen Nawaz, mit populistischen Attacken vor sich her.

Immer grösser wurden die Menschenmassen, die sich um Khan versammelten, wenn er gegen die Herrschenden wetterte – gegen die Familien Sharif und Bhutto, die sich in den vergangenen Jahrzehnten, im Wechsel mit dem Militär, die Macht im Land immer wieder gesichert und das Land in den heutigen Zustand manövriert haben. Die Wirtschaft Pakistans strauchelt, die Inflation liegt derzeit bei etwa 30 Prozent.

Als Hoffnungsträger gestartet: Imran Khan in einer Aufnahme aus dem Jahr 2018.

Im März muss ein neues Paket mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) verhandelt werden. Die vergangenen Verhandlungsrunden unter der Führung von Shehbaz Sharif und die notwendigen Zugeständnisse an den IWF hatten zu heftigen Preissteigerungen geführt, die vor allem die vielen Armen im Land trafen. Khan hatte es in seiner Amtszeit hingegen abgelehnt, Subventionen auf Treibstoff zu streichen.

Wie und in welcher Konstellation es nun weitergeht, wird direkte Auswirkungen auf die kommende Verhandlungsrunde haben. Dort sitzen dann wieder die Politiker, während das Militär sich vorwiegend mit dem zweiten grossen Problem des Landes wird auseinandersetzen müssen: dem Terrorismus.

Handynetz abgeschaltet

Dass die Wahlergebnisse so verzögert bekannt gegeben wurden, begründete Zafar Iqbal, Sekretär der Wahlkommission, mit «Internetproblemen». Tatsächlich war am Wahltag das Handynetz im Land abgeschaltet worden, «um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und möglichen Bedrohungen zu begegnen», wie das Innenministerium mitteilte. Trotzdem gab es Anschläge von militanten Gruppen, vor allem in den Grenzregionen zum Iran und zu Afghanistan. 28 Menschen starben, darunter zwei Kinder.

Pakistanische Sicherheitskräfte in Islamabad.

Amnesty International bezeichnete die Aussetzung der Mobilfunkdienste als «einen unverblümten Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäusserung und friedliche Versammlung». Vedant Patel, stellvertretender Sprecher des US-Aussenministeriums, sagte gegenüber Reportern in Washington, man sei besorgt über «Schritte, die unternommen wurden, um die Meinungsfreiheit einzuschränken, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung des Internets und von Mobiltelefonen.»

Ishaq Dar, ein Vertrauter von Nawaz Sharif, erklärte am Freitag gegenüber dem Fernsehsender Geo TV, dass seine Partei mit der Unterstützung der unabhängigen Kandidaten regieren könnte. «Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Regierung bilden werden.» Ohne den Segen des Militärs wird das allerdings nicht gehen, auch wenn die Generäle immer behaupten, sich nicht in die Politik des Landes einzumischen. Und wohl auch nicht ohne den Segen des beim Militär in Ungnade gefallenen Imran Khan, der sogar aus dem Gefängnis heraus noch die anderen Familien vor sich hertreibt.

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