Grenzorte am Gazastreifen werden evakuiert und Reservisten aus dem Ausland zurückgeholt. Auf der anderen Seite der Grenze suchen Hunderttausende Palästinenser Schutz in Schulen.
Es mehren sich die Anzeichen, dass sich die israelischen Streitkräfte auf eine Bodenoffensive vorbereiten. Israel hat die Abriegelung des Gazastreifens angeordnet und Grenzorte am Rande des Palästinensergebiets fast vollständig evakuiert. Die israelische Luftwaffe hat am Dienstag auf der Nachrichtenplattform X veröffentlicht, dass Transportflugzeuge nach Europa geschickt wurden, um «Hunderte Soldaten» nach Israel zu fliegen, damit sie als Militärreservisten an den Kämpfen teilnehmen können.
Bisher wurden bereits 300’000 Reservisten in Israel mobilisiert. Am Montagabend wurde die israelische Bevölkerung vom Militär angewiesen, sich mit ausreichend Nahrung, Wasser und Medikamenten einzudecken. Die Vorräte sollten ausreichen, um mindestens 72 Stunden in einem Schutzraum ausharren zu können.
Netanyahus Notstandsregierung
Unterdessen bricht der Beschuss durch die Hamas nicht ab. Auch am Dienstag ertönte im Süden des Landes Raketenalarm. Mittlerweile sei die Situation an der Grenze zum Gazastreifen jedoch wieder unter Kontrolle gebracht, sagte der israelische Armeesprecher Richard Hecht am Dienstag. Von dort sei seit Montag kein Terrorist mehr nach Israel eingedrungen. Trotzdem bestehe die Möglichkeit, dass weitere Kämpfer der Hamas nach Israel eindringen oder sich noch in Israel aufhalten würden, so Hecht.
Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu arbeitet an der Bildung einer Notstandsregierung. Am Dienstagmittag gab seine Likud-Partei bekannt, dass alle Koalitionsspitzen die Bildung einer Notstandsregierung unterstützten. «Wir befinden uns in einem Einsatz für die Heimat, einem Krieg zur Sicherung unserer Existenz, einem Krieg, den wir gewinnen werden», sagte der israelische Premierminister bei einer Ansprache im Fernsehen.
Die Spaltungen unter den Israelis seien beendet, sagte Netanyahu. Seit Jahresbeginn war es in Israel zu massiven Protesten gegen die rechts-religiöse Regierung gekommen, die einen Umbau des Justizwesens vorantreibt. Die Spaltung der Gesellschaft führte so weit, dass zahlreiche Reservisten der israelischen Armee drohten, ihren Dienst zu verweigern.
Seit Ausbruch des Krieges sind in Gaza nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 187’000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden.
Die von den USA, Israel und der EU als Terrororganisation eingestufte Hamas hatte Israel am Samstag überfallen. In den frühen Morgenstunden drangen Vertreter der radikalislamistischen Hamas aus dem Gazastreifen über Land, Luft und Meer auf israelisches Gebiet vor. Mehr als 900 Menschen wurden seitdem getötet und Tausende verletzt. Mehr als 150 Personen wurden von der Hamas entführt und in den Gazastreifen verschleppt. Ein Sprecher der Hamas drohte, für jeden von Israel ausgeführten Angriff eine zivile Geisel hinzurichten. Die Hamas hatte zuvor einen Gefangenenaustausch gefordert und die Freilassung von 36 in Israel inhaftierten Palästinenserinnen für die Übergabe von älteren entführten Israelinnen verlangt.
Bei den israelischen Gegenangriffen auf den Gazastreifen kamen nach palästinensischen Angaben mindestens 770 Menschen ums Leben. Zudem bestätigte ein Sprecher der israelischen Armee, dass sich in Israel die Leichen von etwa 1500 Terroristen befänden. Hunderte weitere palästinensische Angreifer wurden demnach gefangen genommen. Seit Ausbruch des Krieges sind in Gaza nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 187’000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden.
137’000 davon suchten demnach in etwa 80 Schulen des UNO-Hilfswerks für die Palästinenser (UNRWA) Zuflucht. Die Bewohner des Gazastreifens können das Gebiet selbst nicht verlassen. Der Küstenstreifen grenzt an Israel und an Ägypten, das seinen einzigen Grenzübergang geschlossen hat. UNO-Generalsekretär António Guterres äusserte sich besorgt über die israelische Blockade des Gazastreifens. Medizinische Güter, Nahrung, Treibstoff und andere humanitäre Hilfsgüter würden dringend benötigt.
Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hat auf der Plattform X bekannt gegeben, dass er Tausende Freiwillige mit Sturmgewehren ausstatten möchte. Er habe den Kauf von mehr als 10’000 Waffen angeordnet, teilte Gvir am Dienstag mit. Unterdessen wächst die Sorge um eine regionale Ausweitung des Konflikts. Die Spannungen an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon nehmen zu. In Israel wurde am Montag eine israelische Militärstellung mit Mörsern beschossen, und eine Gruppe von vier bewaffneten Männern drang in israelisches Gebiet ein. Als Vergeltung flog das israelische Militär einen Lufteinsatz über Stellungen in Südlibanon und tötete dabei Berichten zufolge drei Hizbollah-Mitglieder.