July 27, 2024

Beim Dating ist Vorsicht geboten: Zwei Verliebte in der kolumbianischen Stadt Medellín (Symbolbild).

Vor seiner letzten Reise nach Kolumbien hatte sich der US-Amerikaner Tou Ger Xiong online mit einer Frau unterhalten. Eine längere Zeit wollte er in der Millionenstadt Medellín verbringen, wo es ihm sehr gefiel. «Er erzählte von den lebensfrohen Menschen, die das Leben einfach geniessen», sagte sein Bruder Eh Xiong der britischen BBC.

Mitte Dezember rief Tou Ger Xiong seinen Bruder nochmals an und bat ihn um 2000 Dollar. Wofür er das Geld benötigte, sagte er nicht. Es war das letzte Lebenszeichen des 50-Jährigen. Einen Tag nach dem Anruf fand die Polizei die Leiche des Touristen mit mehreren Stichwunden und Prellungen in einem abgelegenen Gebiet.

Die kolumbianische Polizei verhaftete eine Frau und zwei Männer und klagte sie wegen Entführung und Mordes an. Ob Tou Ger Xiong die Frau über eine Dating-App kennen gelernt hat, ist nicht ganz sicher. Er ist aber einer von acht Amerikanern, die Ende des vergangenen Jahres unter ähnlichen Umständen in Medellín ums Leben kamen. Anfang dieses Jahres starb auch ein britisch-schwedischer Doppelbürger nach einem Treffen über eine Dating-App.

Verhängnisvolle Betäubungsmittel

Die Masche der kriminellen Gruppierungen ist jeweils ähnlich: Eine Frau sucht auf Dating-Apps gezielt nach ausländischen Touristen, die kaum Spanisch sprechen. Beim Treffen mischt sie starke Betäubungsmittel in flüssiger oder Pulverform ins Essen oder in die Getränke, die die Opfer in einen schläfrigen, fast willenlosen Zustand versetzen.

Die Frau ruft die Verbündeten, zusammen rauben sie das Opfer aus und zwingen es, den PIN-Code seines Bankkontos herauszurücken. Den Banden geht es ums Geld, doch mehrere Fälle endeten mit dem Tod des Opfers. Entweder, weil das Betäubungsmittel zu stark dosiert wurde. Oder weil sich die Touristen wehren wollten und dabei erschossen oder erstochen wurden.  

Die US-Botschaft in Bogotá warnt auf ihrer Website explizit vor Dating-Apps in Kolumbien. Die Botschaft empfiehlt, Onlinebekanntschaften nicht in Wohnungen oder Hotelzimmern zu treffen, sondern nur im öffentlichen Raum.

«Folgen Sie Ihrem Instinkt»

In der vergangenen Woche hat auch die Dating-App Tinder reagiert und eine Sicherheitswarnung für User in Kolumbien veröffentlicht. «Kürzlich gab es Regierungshinweise über erhöhte Risiken in bestimmten Regionen, und wir möchten Sie daran erinnern, Ihre Sicherheit bei Verabredungen in den Vordergrund zu stellen», heisst es in der Warnung, die in der Dating-App eingeblendet wird. Die App mahnt an, bei persönlichen Treffen besonders vorsichtig zu sein. «Wenn Sie ein ungutes Gefühl haben, können Sie das Date beenden. Folgen Sie Ihrem Instinkt.»

Auch dem Schweizer Aussenministerium EDA sind Fälle bekannt, bei denen Personen betäubt und ausgeraubt wurden. In den Reisewarnungen für Kolumbien heisst es: «Bei Zufallsbekanntschaften ist besonders in Bars und Restaurants Vorsicht geboten. Es kommt vor, dass mit Betäubungsmitteln versetzte Getränke angeboten werden, um das Opfer zu berauben. Lassen Sie Ihre Esswaren und Getränke nicht unbeaufsichtigt stehen.»

Medellín will nicht «dämonisiert» werden

Die Stadt Medellín will in den touristischen Hotspots mit einer Präventionskampagne auf die Gefahr aufmerksam machen. In lokalen Medien werden aber auch Beamte zitiert, die die Warnung von Tinder für übertrieben halten. Medellín würde so «dämonisiert». Tatsächlich hat sich die Metropole schon lange vom Gewaltmoloch zur attraktiven Feriendestination gewandelt. 1,4 Millionen Touristen kamen 2022, im vergangenen Jahr waren es noch mehr.

Gemäss dem «Wall Street Journal» reiste der Bruder von Tou Ger Xiong Anfang Januar nach Medellín, um die Leiche zu überführen. Er und sein Bruder gehören der Hmong-Ethnie an, einem indigenen Volk Südostasiens. In der Schlucht, wo die Leiche seines Bruders gefunden wurde, legte er Weihrauch und Geld auf den Boden, um den Geist des Toten zu kontaktieren, ein altes Hmong-Ritual. «Es war ein wenig abgelegen, man konnte das Echo des Wassers hören, das durch den Bach fliesst», sagte Eh Xiong dem «Wall Street Journal». «Ich dachte, wenigstens ist er an einem friedlichen Ort gestorben.»

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