July 26, 2024

Die Spannungen zwischen der muslimischen und der israelischen Gemeinschaft in Deutschland steigen, jetzt wirft ein Vorfall in Berlin hohe Wellen: Palästinenser-Demonstration im November 2023.

Der arabischstämmige Kommilitone müsse Lahav Shapira erkannt haben, als dieser mit seiner Freundin in einer Bar mitten in Berlin sass. Jedenfalls habe er immer wieder herübergeschaut, sagt Shapiras Familie. Als der 30-jährige jüdische Student das Lokal verlassen habe, sei ihm der 23-jährige Muslim gefolgt. Auf der Strasse habe er ihn angeschrien und ihm unvermittelt mehrmals ins Gesicht geschlagen.

Als Shapira am Boden lag, habe der muslimische Student auf seinen Kopf eingetreten, danach sei er geflüchtet. Shapira musste ins Spital, wo Frakturen im Gesicht festgestellt wurden. Angesichts der Umstände gehe es ihm «ok», teilte sein Bruder Shahak Shapira mit, ein bekannter Satiriker und Schriftsteller. Der mutmassliche Täter wurde festgenommen. Wegen des politischen Kontextes ermittelt der Berliner Staatsschutz.

Bruder sah die Attacke kommen

Einem israelischen Fernsehsender sagte das Opfer, die Schläge hätten ihn unvorbereitet von der Seite getroffen, darum sei er gestürzt. Als er habe aufstehen wollen, «trat er mir ins Gesicht». Shapiras Mutter Tzipi Lev, die ebenfalls in Deutschland lebt, sagte laut Medien, der Angreifer habe ihrem Sohn vorgeworfen, Bilder von jüdischen Geiseln der Hamas verbreitet zu haben. Der Täter sei «voller Hass» gewesen.

Shahak Shapira, der Bruder, erzählte, er habe das Unglück schon länger «kommen sehen». Lahav habe sich seit dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober nämlich immer wieder gegen den grassierenden Israel- und Judenhass an der Freien Universität gewehrt und sei von propalästinensischen Aktivisten auf den sozialen Medien deswegen als Gegner «markiert» worden.

Lahav und Shahak Shapira sind die Enkel von Amitzur Shapira, einem israelischen Leichtathletiktrainer, der 1972 bei den Olympischen Spielen in München von palästinensischen Terroristen ermordet wurde. Ihr Grossvater mütterlicherseits hat als Einziger seiner Familie den Holocaust überlebt.

Die Polizei hatte den Angriff vom Wochenende erst neutral als «Streit zwischen Studenten» gemeldet, entsprechend nichtssagend war die erste Reaktion der Universität ausgefallen, die «jegliche Gewalt» verurteilte. Erst am Montag nannte diese die Attacke einen «brutalen, mutmasslich antisemitischen Angriff» und kündigte an, ein Hausverbot für den Täter zu prüfen.

«Offen und tolerant – für Antisemitismus»

Die jüdischen Studierenden werfen der Universität schon seit Wochen Untätigkeit vor. Immer wieder komme es bei Kundgebungen für Palästina zu antisemitischen Angriffen gegen Israel und gegen Juden. Wer sich wehre, werde bedroht. Sie fühlten sich nicht mehr sicher. Die Universität sei «offen und tolerant – für Antisemitismus», schreiben sie in einem offenen Brief.

Obwohl bei der Besetzung eines Hörsaals linksextremistische Gruppen mitwirkten, die vom Verfassungsschutz beobachtet würden, sei bisher kein einziges Hausverbot für propalästinensische Studierende ausgesprochen worden. Jungsozialisten und junge Grüne sind im Parlament der Universität kürzlich mit einem Antrag gescheitert, der zum Schutz jüdischen Lebens aufrief. Trotzkistische und postkolonialistische Gruppen hatten den Antrag niedergestimmt.

Steht die Universität zu einseitig aufseiten Israels?

Günter M. Ziegler, der Präsident der Freien Universität, wehrt sich gegen die Vorwürfe. Man tue viel, habe jetzt auch einen zentralen Antisemitismus-Beauftragten ernannt und zwei Dutzend Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs und antisemitischer Schmierereien erstattet. Viele Studierende werfen der Unileitung bereits vor, sie stelle sich zu einseitig auf die Seite Israels.

Felix Klein, der Antisemitismus-Beauftragte der deutschen Regierung, widersprach Ziegler im Berliner «Tagesspiegel»: «Ich würde der Unileitung nicht vorwerfen, dass sie Antisemitismus begünstigt. Aber sie sind viel zu tolerant. Sie lassen zu viel unkommentiert.» Vor allem im Umfeld der Universität komme es immer wieder zu gezielten Angriffen – wie dem auf Lahav Shapira.

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