July 27, 2024

Der fleischgewordene Brexit: Boris Johnson, ehemaliger Premierminister von Grossbritannien (Aufnahme vom Dezember 2023).

Um das Wohl der Wirtschaft ging es beim Brexit nie, da war sogar Boris Johnson ehrlich genug, das zuzugeben. Für die Anliegen der Unternehmen hatte er nur zwei Wörter übrig: «fuck business». Diese Haltung rächt sich nun. Nach Johnsons fulminantem Wahlsieg 2019 droht den Tories bei der Unterhauswahl in diesem Jahr ein Desaster. Schuld ist vor allem die schlechte Wirtschaftslage. Und daran hat der Brexit den entscheidenden Anteil.

Vor vier Jahren, am 31. Januar 2020, verliess das Vereinigte Königreich formal die Europäische Union. Es folgte nicht nur der Ausstieg aus dem grössten Wirtschaftsraum der Welt, dem EU-Binnenmarkt; Johnson lehnte auch eine Zollunion mit Brüssel ab. Was blieb, war ein relativ harter Brexit, immerhin abgefedert durch ein Abkommen, das den Warenverkehr regelt.

Diese Regeln bringen es mit sich, dass London jetzt neue Importkontrollen einführt. Vom 31. Januar an werden Tier- und Pflanzenprodukte, die aus der EU nach Grossbritannien kommen, überprüft. Fünfmal hatte die britische Regierung diese Kontrollen bereits verschoben, aber nun ist es so weit. Für die Unternehmen bedeutet das einmal mehr: höhere Kosten. Brexit-Kosten.

Viele Firmen in der EU müssen sich also überlegen, ob es sich überhaupt noch lohnt, Bacon und Flüssig-Ei nach Grossbritannien zu liefern, damit es dort ausreichend Zutaten fürs English Breakfast gibt. Der bürokratische Aufwand ist jedenfalls enorm. Um die nötigen Zollerklärungen auszufüllen, braucht es nicht nur neue IT-Systeme, sondern auch Menschen, die diese bedienen können. Kein Wunder, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen keinen Nutzen darin sehen, überhaupt noch etwas nach Grossbritannien zu liefern.

Debakel an der Grenze

In London schwadroniert die Regierung derweil von der «fortschrittlichsten Grenze der Welt», aber die Wahrheit ist: An dieser Grenze zeigt sich, was der Brexit angerichtet hat. Da sind die Lastwagenfahrer, die oft stundenlang auf die Abfertigung ihrer Fracht warten müssen. Da sind die Zollbeamtinnen und -beamten, die mitunter überfordert wirken. Und da sind die Lieferketten, die seit dem Brexit immer wieder gestört sind.

Die Folgen sind bekannt: Nicht nur Supermarktregale bleiben immer mal wieder leer, auch die Preise für Lebensmittel sind in Grossbritannien stark gestiegen. Ganz einfach deshalb, weil die Unternehmen die Brexit-bedingten Kosten an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben. Sogar die britische Regierung musste eingestehen, dass die Grenzkontrollen die Inflationsrate nach oben treiben.

Aus ökonomischer Sicht ist es geradezu zwingend, dass Grossbritannien sich wieder an die EU annähert. Der Brexit-Traum eines Handelsdeals mit den USA hat sich weder unter Trump noch unter Biden erfüllt. Vor wenigen Tagen setzte London sogar die Verhandlungen über einen neuen Pakt mit Kanada aus, es gab Streit über Rindfleisch und Käse. Bislang handeln die beiden Länder noch zu den Bedingungen, die aus der Zeit stammen, als Grossbritannien Teil der EU war – Ceta heisst das Abkommen.

Seit dem Brexit ist das Königreich auf sich allein gestellt. Die Regierung muss einsehen, dass ihr eben das fehlt, was sie im Kreis der EU hatte: eine Wirtschaftskraft, die ihresgleichen sucht.

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