July 27, 2024

Er hat gut lachen: Putin hat sich erneut zum russischen Präsidenten wählen lassen, doch die Wahl war weder frei noch fair und von massiven Repressionen begleitet.

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Bei der dreitägigen Abstimmung in Russland dürfte Wladimir Putin ein Rekordergebnis erzielt haben. Ersten Zahlen der zentralen Wahlkommission zufolge kommt er auf mindestens 87 Prozent der Stimmen. Das wären zehn Prozentpunkte mehr als 2018. Bei der Wahl, die weder frei noch fair war, gingen die Behörden am Sonntagabend von mindestens 70 Prozent Beteiligung aus. Auch das wäre mehr als bei allen vorherigen Wahlen. Bis Sonntagabend waren knapp die Hälfte der Stimmen ausgezählt.

Die Abstimmung in diesem Jahr lief unter noch repressiveren Bedingungen ab als frühere Wahlen in Russland. Unabhängige Herausforderer wurden nicht zugelassen, Putin trat gegen drei dem Kreml loyale Scheinkandidaten an.

Zahlreiche Russen nutzen die Abstimmung dennoch für vorsichtige Zeichen des Protests. Viele nahmen an der Aktion «Mittag gegen Putin» teil, zu der das Team von Alexej Nawalny aufgerufen hatte. Der Oppositionelle war vor etwa vier Wochen in einem russischen Straflager gestorben, hatte zuvor aber noch seine Idee für das Wahlwochenende öffentlich gemacht. Wer ein Zeichen gegen Putin setzen wollte, sollte am Sonntag um Punkt zwölf zu seinem Wahllokal kommen. Vor Wahllokalen in zahlreichen russischen Städten zeigten Wählerschlangen am Sonntagmittag, dass viele Menschen nicht einverstanden sind mit ihrem Präsidenten.

Proteste gegen die Wahl waren gefährlich

Innerhalb Russlands sind solche Aktionen riskant. Die Moskauer Staatsanwaltschaft etwa hatte im Vorfeld mit Strafverfahren wegen Behinderung der Wahl gedroht. Darauf stehen bis zu fünf Jahre Haft. Für Russen im Exil war die Teilnahme ungefährlicher, es bildeten sich Schlangen vor russischen Botschaften in vielen europäischen Städten.

Julija Nawalnaja, die Witwe des Oppositionellen, nahm in Berlin an der Aktion teil, gemeinsam mit Tausenden anderen Menschen. Ebenso wie Kremlkritiker Michail Chodorkowskij reihte sie sich in die Schlange vor der russischen Botschaft ein. Natürlich habe sie den Namen «Nawalny» auf den Stimmzettel geschrieben, sagt sie vor der Presse, als sie Stunden später aus dem Wahllokal kam.

Julija Nawalnaja, Witwe von Alexej Nawalny, wartet vor der russischen Botschaft in Berlin, um wählen zu gehen.

Chodorkowskij, der eigentlich im Londoner Exil lebt, erklärte, bei dieser Aktion «können wir einander in die Augen sehen, Gleichgesinnte sehen und erleben, dass die, die gegen Putin sind, zahlreich sind. Wir haben die Mehrheit». Wie viele Menschen in der langen Warteschlange tatsächlich abgestimmt haben, ist allerdings unklar.

Männer und Frauen kippten grüne Farbe in die Wahlurnen

Neben Putin standen die Kandidaten der drei kremltreuen Staatsduma-Parteien, Wladislaw Dawankow, Leonid Sluzki und Nikolai Charitonow auf den Stimmzetteln. Den vorläufigen Zahlen zufolge kam der Kommunist Charitonow mit etwa vier Prozent auf Platz Zwei.

Putin siegt, das war schon lange klar, nun sind auch Prozentzahlen dazu veröffentlicht worden.

Wer seinen Stimmzettel ungültig machen wollte, der kreuzte häufig alle vier Namen an, jedenfalls kursierten zahlreiche Fotos solcher Stimmzettel in unabhängigen russischen Medien und sozialen Netzwerken. Viele schrieben demnach auch Nawalnys Namen darauf.

Der Oppositionelle hatte sich einen weiteren Weg überlegt, die Wahl zu stören. Noch vor seinem Tod programmierte sein Team die App «Foton-2024»: Ein Zufallsgenerator wählt dabei den Kandidaten aus, für den man stimmen sollte – Hauptsache, nicht für Putin.

Bereits am Samstag gab es Proteste gegen die Scheinwahl. In einigen Städten kippten Männer und Frauen grüne Farbe in die Wahlurnen, um die Stimmzettel ungültig zu machen. Andere legten kleinere Brände. Das Bürgerrechtsportal OWD-Info zählte bis Sonntagabend 80 Festnahmen, die mit der Wahl in Verbindung stehen. Unabhängige Beobachter erhielten keinen Zutritt zu den Wahllokalen.

Die Bürgerrechtsbewegung Golos, deren Arbeit die russischen Behörden massiv einzuschränken versuchen, veröffentlichte dennoch erste Berichte über Manipulationen. Beispielsweise habe es mancherorts «unnatürlich» ähnliche Zahlen zur Wahlbeteiligung in benachbarten Wahllokalen gegeben, heisst es darin. Viele Wähler haben elektronisch abgestimmt, was den Behörden mehr Kontrolle und mehr Manipulationsmöglichkeiten eröffnet.

Die Ukraine griff Russland so massiv an wie noch nie

Neben der Sorge vor Protesten beschäftigten den Kreml an diesem Wahltag die Militäraktionen der Ukraine. Das Verteidigungsministerium meldete, man habe 35 Drohnen abgefangen. Auch in den Grenzregionen Kursk und Belgorod, wo bereits vor einigen Tagen proukrainische Freiwilligenverbände gegen das russische Militär kämpften, kam es wieder zu Gefechten und Angriffen.

In dieser Woche griff die Ukraine das Nachbarland so massiv an wie noch nie seit Kriegsbeginn vor zwei Jahren. Offensichtlich war das Ziel, die Wiederwahl Putins zu stören. «Diese Wahlfälschung hat keine Legitimität und kann keine haben», sagt der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski am Sonntagabend in einer Videoansprache.

@SilkeBigalke

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