Der deutsche Kanzler und die Ministerpräsidenten haben im Asylstreit eine Einigung erzielt. Asylverfahren sollen künftig schneller bearbeitet werden.
Bund und Länder haben sich nach monatelangem Streit über die Aufteilung der Flüchtlingskosten geeinigt und Massnahmen zur Verringerung der irregulären Migration nach Deutschland vereinbart. Vorgesehen sind dabei auch Leistungseinschränkungen für Asylbewerber. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach am frühen Dienstagmorgen nach knapp neunstündigen Beratungen mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder von einem «sehr historischen Moment». Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) betonte, man habe einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. «Klar ist aber auch, dass ein Weg aus sehr vielen Schritten besteht, und natürlich noch weitere Schritte folgen müssen.»
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat weiteren Handlungsbedarf angemeldet. «Positiv: Es bewegt sich was. Negativ: Das reicht noch nicht», erklärte der CSU-Chef am Dienstag. «Wir müssen weiter Druck machen, um die Zuwanderung nach Deutschland zu begrenzen.» Nötig sei «eine realistische Integrationsgrenze für Deutschland, die sich am Leistungs- und Integrationsvermögen der Kommunen orientiert».
Finanzierung der Flüchtlingskosten wird umgestellt
Bund und Länder einigten sich auf eine Systemumstellung bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten. Vom kommenden Jahr an zahlt der Bund für jeden Asylerstantragssteller eine jährliche Pauschale von 7500 Euro und nicht mehr eine jährliche Gesamtsumme von derzeit rund 3,7 Milliarden Euro. Scholz sprach vom «Übergang zu einem atmenden System» und erläuterte: «Mit steigenden Zahlen gibt’s mehr Geld, mit sinkenden Zahlen gibt’s weniger.»
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) erklärte, die Länder könnten sich immer vorstellen, vom Bund noch mehr Geld zu bekommen. Er erläuterte, dass es zusammen mit Entlastungen um ein Volumen von insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro für die Kommunen gehe. Es sei gelungen, «hier Handlungsfähigkeit zu beweisen».
Weil rechnete vor, die Bundesregierung habe für das kommende Jahr 1,2 Milliarden Euro geben wollen, die Länder hätten eher 5 Milliarden Euro gewollt. «Dass es gelungen ist, unter diesen Bedingungen ziemlich genau auf der Mitte zueinander zu kommen, das ist zu früher Morgenstunde wirklich ein Ausrufezeichen wert.» Für die Kommunen gebe es 2024 sogar «einen wesentlichen zusätzlichen Erstattungsbetrag», weil bei den 3,7 Milliarden Euro für dieses Jahr eine Sonderzahlung für Ukraine-Flüchtlinge enthalten sei, die man rausrechnen müsse.
Verringerung der Asylbewerberzahlen
Bund und Länder hielten fest, dass derzeit zu viele Menschen nach Deutschland flüchteten. «Klare und zielgerichtete Massnahmen gegen unkontrollierte Zuwanderung» seien daher nötig. So will die Bundesregierung prüfen, ob Asylverfahren ausserhalb Europas möglich sind. Asylverfahren sollen schneller abgewickelt werden als bisher, dafür setzen sich Bund und Länder neue Zielmarken. Insbesondere bei Menschen aus Staaten mit einer Anerkennungsquote von weniger als fünf Prozent soll das Asylverfahren in drei Monaten abgeschlossen sein. An den Kontrollen, die Deutschland derzeit an den Grenzen zur Schweiz, Tschechien, Polen und Österreich durchführt, will man festhalten. Asylbewerber in Deutschland sollen mindestens einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf eine Bezahlkarte bekommen.
Leistungskürzungen für Asylbewerber
Wenn sich Verfahren hinziehen, sollen künftig nicht nur 18, sondern 36 Monate lang nur Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gezahlt werden. Aktuell haben Asylbewerber eineinhalb Jahre lang Anspruch auf ein Dach über dem Kopf sowie Nahrung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern. Statt solcher Sachleistungen sind teils auch Wertgutscheine oder Geldleistungen vorgesehen. Nach 18 Monaten steigen die Sätze ungefähr auf Höhe der regulären Sozialhilfe. Dieser Schritt soll künftig später erfolgen, was im Effekt eine Kürzung der staatlichen Leistungen bedeutet.