July 27, 2024

Prinz Christian von Dänemark wird seiner Rolle als Thronfolger gerecht: 2021 noch einfacher Konfirmand, ist er inzwischen Kronprinz, nachdem seine Eltern Frederik und Mary Mitte Januar 2024 König und Königin geworden sind.

Es gab diesen einen kurzen Moment bei der Abdankung von Margrethe II. von Dänemark, als nicht die sich in Rente verabschiedende Monarchin im Mittelpunkt stand, sondern ihr Enkel. Nach dem Unterzeichnen der Abdankungsurkunde sprang Margrethe zügig von ihrem Stuhl im Kopenhagener Schloss Christiansborg auf. Etwas zu zügig für eine 83 Jahre alte Frau. Sie schwankte kurz, hielt dann inne – und Prinz Christian eilte herbei, um ihr einen Gehstock zu reichen. Danach marschierte die Grossmutter aus dem Saal. Und Christian hatte seine neue Rolle als Thronfolger, der einspringt, wenn er gebraucht wird, vorbildlich erfüllt.

Mit seinen 18 Jahren ist Prinz Christian Teil einer neuen Generation von jungen Royals in Europa, die ihr vorherbestimmtes Leben unter völlig anderen Voraussetzungen als ihre Vorfahren führen. So ist etwa in den Schlössern und Palästen eine neue Gleichberechtigung selbstverständlich geworden. Die Thronfolge geht in den meisten Ländern nicht mehr automatisch auf die Söhne über.

Junge Frauen an die Macht

In den kommenden Jahren werden in Europa so viele Regentinnen einen Thron übernehmen wie nie zuvor: Prinzessin Ingrid Alexandra (20) steht in Norwegen nach ihrem Vater auf Platz zwei in der Thronfolge, ebenso Prinzessin Estelle (11) in Schweden, in den Niederlanden hat Prinzessin Amalia (20) und in Belgien Prinzessin Elisabeth (22) bereits mit ihrer Ausbildung begonnen, auch Prinzessin Leonor (18) hat in Spanien schon ihre ersten Reden gehalten. Sie arbeiten künftig in einer Männerdomäne, als Chefrepräsentantinnen ihres jeweiligen Landes.

Trotz Emanzipation ist für das Selbstverständnis als Regentin Voraussetzung, Kinder, also weitere Thronfolger, in die Welt zu setzen. Historische Vorbilder gibt es: Die Königinnen Victoria und Elizabeth II. von Grossbritannien, Wilhelmina und Beatrix in den Niederlanden oder Margrethe II. von Dänemark haben über Jahrzehnte demonstriert, dass sich eine Regentschaft auch mit der Rolle als Frau und Mutter verbinden lässt.

Und dennoch sind die Erwartungen an die künftigen Monarchinnen höher als an deren männliche Kollegen: «Für die nächste Generation von Regentinnen wird sich vielleicht die Frage nach deren beruflicher Erfahrung prominenter stellen», sagt Frank Lorenz Müller, Professor für Neuere Geschichte an der University of St. Andrews in Schottland und Autor des Buches «Die Thronfolger. Macht und Zukunft der Monarchie im 19. Jahrhundert». «Bei den Kronprinzen hat es ja bisher zumeist gereicht, eine mehr oder minder aktive militärische Karriere zu zelebrieren.»

Prinzessinnen im Militär

Wie selbstverständlich lassen sich auch die heutigen Thronfolgerinnen an der Waffe ausbilden. Die belgische Prinzessin Elisabeth zieht bereits regelmässig Tarnkleidung an, im vergangenen Sommer wurde sie zur Offizierin ernannt. Daneben studiert sie Geschichte und Politik am Lincoln College der Universität Oxford.

Auch Prinzessin Leonor von Spanien hat im Sommer mit einer dreijährigen Militärausbildung begonnen. Als Königin wird sie auch Oberbefehlshaberin der Streitkräfte sein. Prinzessin Ingrid Alexandra dagegen arbeitet nach ihrem Schulabschluss jetzt erst mal als Schulassistentin in der Uranienborg-Schule in Oslo.

Prinz Christian wird nach seinem Schulabschluss im Sommer wohl mit einem Studium beginnen, während die schwedische Prinzessin Estelle und der britische Prinz George noch ein paar Jahre auf den Bänken ihrer Privatschulen sitzen werden. «Erziehung an renommierten öffentlichen Schulen und Universitäten, Ausbildung bei den Streitkräften, der Kontakt mit Gleichaltrigen auch ausserhalb des Familienverbandes sind einerseits als Vorbereitung auf die spätere Regentenrolle gedacht, funktionieren andererseits jedoch auch vorzüglich als Öffentlichkeitsarbeit», sagt Historiker Müller.

Das Spiel mit den Medien

Nach der Französischen Revolution haben die Herrscherfamilien immer mehr an politischer Macht verloren. In den meisten europäischen Monarchien liegt die Entscheidungsgewalt heute beim Parlament, der Regent oder die Regentin kann kaum noch Einfluss auf die Staatsgeschäfte nehmen. Politische Meinungen äussern die Familien nicht, das gehört auch zum Deal.

Und dennoch formieren sich Monarchiegegner, die, je nach Beliebtheit des Regenten, laut oder weniger laut sind, um auch die finanziellen und gesellschaftlichen Privilegien abzuschaffen. Wer sich nicht abschaffen lassen will, muss handeln: «Die Thronfolger müssen dem Volk weiterhin suggerieren, dass das Herrscherhaus vorbildlich ist, gebraucht wird und eine gesicherte Zukunft hat», sagt Müller. Angesichts der Allgegenwart der Medien seien die Möglichkeiten der jüngeren Generation deutlich gewachsen, «ein weltweites Publikum zu bezirzen oder zu verprellen».

Das Spiel mit den Medien, die Königsfamilien beherrschen es perfekt – und diktieren dabei immer öfter ihre Bedingungen. Kinder sollen möglichst ohne Presserummel und fernab der Öffentlichkeit aufwachsen dürfen. Kate, Princess of Wales und Ehefrau des britischen Thronfolgers William, veröffentlicht in regelmässigen Abständen Schnappschüsse ihrer Kinder. Das befriedigt das mediale Interesse nach Fotos und suggeriert gleichzeitig Nähe zum Volk.

Europas Prinzessinnen (von links oben im Uhrzeigersinn): Ingrid Alexandra von Norwegen, Leonor von Spanien, Victoria von Schweden, Elisabeth von Belgien, Estelle von Schweden und Catharina-Amalia der Niederlande.

Auch die Eltern der niederländischen Prinzessin Amalia laden seit Jahren die Presse im Winter und im Sommer zu regelmässigen Fototerminen ein – ansonsten herrscht aber Ruhe. Das funktionierte viele Jahre so gut, dass Amalia sogar mit Freunden in eine Studenten-WG in Amsterdam ziehen durfte. Die Freiheit war aber nur von kurzer Dauer: Weil sie bedroht wurde, vermutlich von der niederländischen «Mocromaffia», muss sie nun wieder bei ihren Eltern leben und darf den Palast nur zu seltenen Gelegenheiten verlassen.

Ein Tête-à-Tête der Thronfolger

Eine dieser Gelegenheiten war die Party zum 18. Geburtstag von Prinz Christian von Dänemark. Da lud er einige der jungen Royals zu sich nach Kopenhagen ein: Amalia, Estelle, Elisabeth, Ingrid Alexandra, ein Tête-à-Tête der Thronfolger. Sie sind freundschaftlich eng verbunden und aufgrund der Heiratspolitik im 19. Jahrhundert alle irgendwie miteinander verwandt.

Nicht nur die britischen Königskinder, sondern auch diejenigen aus Schweden, Dänemark, Norwegen und Spanien sind Nachfahren von Queen Victoria in fünfter, sechster oder siebter Generation, und es gibt weitere Querverbindungen zwischen den royalen Familien. Angesichts der Bilder von dem Treffen der Thronerbinnen und -erben im dänischen Palast schlugen die Herzen der Königsreporter der bunten Blätter höher. Ach, wie schön wäre es doch, wenn sich Prinz Christian hier eine Braut aussuchen würde.

Kronprinzessin Victoria von Schweden hat ihren Fitnesstrainer geheiratet, er ist seither Prinz Daniel.

Längst dürfen sich die jungen Royals ihre Partner auch ausserhalb des Adels aussuchen. Die Elterngeneration der heutigen Thronfolger hat da einiges an Vorarbeit geleistet: Kronprinzessin Victoria von Schweden hat ihren Fitnesstrainer geheiratet, Kronprinz Haakon von Norwegen eine alleinerziehende Mutter und Prinz Harry, der Bruder des britischen Thronfolgers William, eine US-Schauspielerin mit afroamerikanischen Wurzeln. «Wenn man Nahbarkeit und Natürlichkeit vermitteln will, ist die gelungene Integration ‹normaler› Ehepartner eine viel bessere Story als die Heirat innerhalb der Herrscherhäuser», sagt Müller.

Eine Hochzeit ist so etwas wie der krönende Ausbildungsabschluss. Von Millionen im Fernsehen verfolgt, bringt sie den jungen Royals weltweit Sympathien ein. Durch emotionale Momente wächst die Zuneigung des Volkes zu den Herrscherhäusern. «Diese Funktion ist auch heute noch wichtig und wird von Monarchien nach Kräften ausgenützt», sagt Müller.

Sie wollten die Hoheit über ihre Selbstinszenierung behalten – und wanderten von seiner Heimat Grossbritannien in die USA aus: Herzogin Meghan und Prinz Harry, hier in New York.

Nach dem Winken und Küssen auf dem Schlossbalkon folgt dann aber die harte Realität einer Ehe im Kreis einer traditionell lebenden Grossfamilie und im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. «In die sich daraus ergebenden Zwänge und internen Hierarchien müssen sich die Ehepartner und Ehepartnerinnen, die in eine Dynastie hineinheiraten, weiterhin fügen, auch wenn sich die Paare vorher frei gefunden und füreinander entschieden haben», so Müller. Den einen gelingt ein Arrangement unter diesen Bedingungen, andere wollen die Hoheit über ihre Selbstinszenierung behalten – und wandern in die USA aus.

Homosexualität als Herausforderung

Und auch wenn Thronfolger heute viel freier in ihren Lebensentscheidungen geworden sind, gibt es noch eine Grenze: Bei homosexuellen Thronfolgern ist mit dem Fortbestand der Monarchie in direkter Linie Schluss. In der Vergangenheit haben dann Verwandte den Thron übernommen, wie zum Beispiel der Onkel des bayerischen Königs Ludwig II., bei dem man davon ausgeht, dass er homosexuell war.

Bislang drücken sich die europäischen Königsfamilien noch vor dem Thema. Lediglich in den Niederlanden hat das Parlament mittlerweile geregelt, dass ein Thronfolger oder eine Thronfolgerin nicht den Anspruch auf den Thron verliert, wenn er oder sie sich für eine gleichgeschlechtliche Ehe entscheidet. Künftigen Generationen kann man nur wünschen, dass sie auch mit dem letzten Tabu brechen: als homosexueller Thronfolger durch Adoption die Monarchie zu sichern. Das erscheint derzeit allerdings ähnlich unwahrscheinlich wie ein Fussballer, der sich als queer outet.

Das dänische Königshaus

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