Viel zu lange glaubten die Romantiker der Berner Politikblase, wir könnten bei der Beilegung des Nahostkonflikts, oder auch anderswo, eine aktive Rolle spielen.
Es ist nicht die Zeit der besonnenen Stimmen im Nahen Osten. Die Hamas ist als das enttarnt, was sie schon immer war: als Bande von brutalen religiösen Fanatikern, bar jeder Menschlichkeit. Jeder und jede, der oder die das nicht sehen wollte, und darunter sind auch einige naive linke Politiker und blauäugige Aktivisten in der Schweiz, hat es jetzt erfahren.
Israel begräbt die Toten des Überfalls von letzter Woche, die Armee steht mit ihren Panzern an der Grenze von Gaza. Die Hamas gibt martialische Parolen aus, im Westjordanland sterben Demonstranten, und der Iran schickt seinen Aussenminister in die Hauptstadt des Libanon, um Stimmung zu machen. Es wird wohl noch Tausende von Toten geben, bis es wieder eine Gelegenheit gibt, die Waffen ruhen zu lassen.
Bitter rächt sich, dass in den letzten 30 Jahren die Chance für einen Frieden gründlich vertan wurde. Im Gegensatz zu Nordirland, das ebenfalls unter einem immer wieder aufflammenden bürgerkriegsähnlichen Terror litt, hat im Nahen Osten der Friedensprozess versagt, hüben und drüben sind die Verantwortlichen gescheitert. Allen voran die arabischen Nachbarstaaten Israels und der Iran, die das Problem nicht lösen, sondern bewirtschaften wollen und die Palästinenser seit 75 Jahren in Flüchtlingslagern leben lassen.
Aber auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu muss sich kritische Fragen seiner Landsleute gefallen lassen, weil er die Hamas brutal unterschätzte und lieber den Konflikt um die israelische Verfassung anheizte, statt seine Landsleute in Israel zu schützen. Dass er seine Armee ins Westjordanland schickte, um extremistische Siedler bei ihren Provokationen zu unterstützen, statt die Grenze zum Gazastreifen zu bewachen, war sein bisher grösster Fehler als Führer Israels. Die bitteren Stimmen der Angehörigen der Opfer des Hamas-Überfalls wird er nicht ignorieren können und wohl bald abtreten müssen. Doch das werden seine israelischen Landsleute zu entscheiden haben, wie in einer Demokratie üblich.
Die Schweiz wird nicht darum herumkommen, ihre Lehren aus der Gewalteskalation zu ziehen. Zu lange glaubten Romantiker der Berner Politikblase, wir könnten bei der Beilegung des Nahostkonflikts eine aktive Rolle spielen. Allen voran Micheline Calmy-Rey oder ihr Weggefährte, Botschafter Tim Guldimann, aber letztlich auch Ignazio Cassis, der erst jetzt für ein Verbot der Hamas eintritt, nachdem er noch vor ein paar Tagen das Gegenteil vertreten hatte. Die israelische Botschafterin sagt jedenfalls klar, dass sie dankbar dafür sei, dass die Schweiz ihre Position geändert habe. Von einer Schweizer Vermittlung, die es offenbar ohnehin nie gegeben hat, hält sie aber offensichtlich nichts.
Selbst unsere Rolle als diplomatische Schutzmacht des Iran ist nicht mehr unbestritten, seit beim letzten Gefangenenaustausch zwischen den USA und dem Iran über die Nationalbank Milliarden in Richtung der Mullahs floss. Widersprüchlich in der Frage der Rolle der Schweizer Aussenpolitik sind aber nicht nur die Linke und Cassis, sondern auch die SVP. Während sie zu Recht sagt, sie habe als einzige Partei immer gefordert, Stellung zu beziehen und die terroristische Hamas auch bei uns zu verbieten, propagiert sie im Ukraine-Krieg exakt das Gegenteil. Dabei ist es in beiden Konflikten so, dass wir höchstens Genf als Verhandlungsort bieten oder mit dem Roten Kreuz Nothilfe leisten können. Alles andere ist eine Nummer zu gross für unser kleines Land.