September 7, 2024

Chinesische Wissenschaftler haben im Hochland von Tibet in Proben aus Eis und Schmelzwasser über 10’000 Virenarten gefunden. Die meisten sind für uns harmlos.Gletschern zehntausend Viren Arten

Das Wichtigste in Kürze

  • Chinesische Forscher haben in Gletscherproben mehr als 10’000 Virenarten entdeckt.
  • Das sind deutlich mehr als bisher angenommen.
  • Der Grossteil dieser Viren ist für den Menschen harmlos.

In den eisigen Weiten der Hochgebirge und Polarregionen haben chinesische Forscher eine bisher unbekannte Mikrobenwelt entdeckt. Sie fanden mehr als 10’000 verschiedene Virenarten im Eis und Schmelzwasser der Gletscher im Hochland von Tibet.

Yongqin Liu von der Lanzhou Universität in China hat mit ihrem Team Proben von 38 verschiedenen Gletschern analysiert. Sie liefere damit «die erste systematische Charakterisierung der Vielfalt, Funktion und potenziellen Gesundheitsgefährdung durch polare und montane supraglaziale Viren».

In den Gletscherproben haben die Wissenschaftler das Erbgut von rund 10’840 Arten von DNA-Viren gefunden. Das ist laut dem Wissenschaftsmagazin «Scinexx» eine 15-fach grössere Vielfalt solcher Viren als bisher bekannt war. Trotz der eisigen, eher lebensfeindlichen Umgebung waren diese Viren durchaus aktiv: Ihre Vermehrungsrate entsprach der von Viren im Ozean oder in Süsswasserseen.

Grösster Teil der entdeckten Viren ist für Menschen harmlos

Die gute Nachricht: Mehr als 83 Prozent der neu entdeckten Gletscherviren sind Bakteriophagen, also auf den Befall von Bakterien spezialisierte Viren. Sie stellen daher keine direkte Gefahr für Menschen und Tiere dar. «Die supraglazialen Viren waren im Vergleich zu Viren aus anderen Lebensräumen hochspezifisch», berichten die Forscher im «Science Bulletin». Das Risiko für die öffentliche Gesundheit sei daher niedrig.

Gletschern zehntausend Viren Arten

Allerdings haben viele dieser Gletscherviren das Potenzial, ihre Resistenzgene auf ihre bakteriellen Wirte zu übertragen. Das kann sowohl positive wie auch negative Folgen haben. Die supraglazialen Viren könnten «die Kälteanpassung, den Stoffwechsel und die Zellmobilität ihrer Wirte unter diesen lebensfeindlichen Bedingungen verbessern», heisst es.

Aber sie können auch Gene übertragen, die Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika vermitteln. Insgesamt wiesen die Forscher 31 einzigartige Resistenzgene und rund 1400 Virulenz-kodierende Gene nach. Dabei handelt es sich um Gene, die die krankmachende Wirkung von Bakterien verstärken können.

Viren in Gletschern sind zahlreich und aktiv

«Unsere Studie unterstreicht, dass supraglaziale Viren in Gletscher-Ökosystemen zahlreich und aktiv sind», konstatieren Liu und ihr Team. «Diese Viren spielen eine prägende Rolle für die supraglazialen Mikrobengemeinschaften.» Es sei daher wichtig, diese viralen und bakteriellen Lebenswelten weiter zu untersuchen.

Gletscher und Permafrostgebiete dienen als riesige Tiefkühltruhen, die neben Fossilien und DNA auch lebende Organismen und Viren konservieren. Wissenschaftler konnten bereits 700 Jahre alte Viren sowie über Jahrtausende eingefrorene Rädertierchen und Fenwürmer wieder zum Leben erwecken.