July 27, 2024

Erschöpft vom Kämpfen: Ukrainische Soldaten in der Region Donezk.

Im Krieg in der Ukraine ist gemäss Militärexperten derzeit keine Seite zu grossen Offensiven fähig – doch zweifellos sind die Ukrainer in einer schlechteren Lage. Sie können nur davon träumen, wenigstens einen Teil der 17 Prozent ukrainischen Territoriums zu befreien, das die Russen besetzt halten. Vielmehr müssen die Ukrainer befürchten, dass die Invasoren nach weiteren Mobilisierungen lokale Durchbrüche erzielen und an einigen Stellen vorrücken.

Denn anders als Moskau hat Kiew grosse Schwierigkeiten, seine erschöpfte und dezimierte Armee mit neuen Rekruten aufzufüllen. Und darüber hinaus mangelt es den Verteidigern an den so dringend benötigten Artilleriegranaten. Es besteht also die Gefahr, dass die Geschosse sowohl für die westlichen wie für die ukrainischen Luftabwehrsysteme zur Neige gehen.

Gleichwohl stehen die Russen nicht vor einem neuen Sturm auf Kiew. Russische Militärblogger beschrieben vor einigen Tagen, ihre eigenen Truppen seien nicht einmal in der Lage, kleinere Formationen zusammenzuziehen, um auch nur in die Nähe der ukrainischen Verteidigungslinien zu gelangen: Denn die Ukrainer hätten technische Fortschritte gemacht und griffen jede grössere Einheit sofort und offenbar effektiv an, etwa mithilfe von mit Bomben bestückten Drohnen.

Russen haben deutlich mehr Munition

Auch beim Nachschub mit Munition ist die Lage für die Verteidiger sehr ernst, aber nicht hoffnungslos. Zwar können sie derzeit täglich nur 2000 Granaten verschiessen, die Russen hingegen 10’000, wie Jack Watling vom Londoner Rusi-Institut dem «Wall Street Journal» sagte. Doch die Ukraine bekommt unterhalb der öffentlichen Wahrnehmung auch Nachschub aus Bulgarien, Serbien oder Südkorea, das gemäss der «Washington Post» 2023 mehr Granaten an die Ukraine lieferte als alle europäischen Länder zusammengenommen.

Amerikanische und andere Militärangehörige glauben, dass nicht nur die Ukrainer, sondern auch die Russen zu erschöpft sind und zu viel Material verbraucht haben, um 2024 grosse Gewinne zu erzielen. Beide Seiten planten stattdessen schon für 2025 – was genau, ist naturgemäss geheim.

Podiumsdiskussion: Zwei Jahre Krieg in der Ukraine

Kaufleuten, Zürich, Mittwoch, 21. Februar 2024, Einlass 19 Uhr, Beginn 20 Uhr

Vor zwei Jahren überfiel Russland die Ukraine. Die Gegenoffensive ist gescheitert, die Fronten haben sich verhärtet. Im Westen schwindet die Unterstützung, auch in der Schweiz. Für die Ukraine dürfte das dritte Kriegsjahr das schwierigste werden, denn Putin hält an seinem Ziel fest, die benachbarte Nation auszulöschen.

Wie kann die Ukraine überleben?

Darüber diskutieren:

Toni Frisch, Alt-Botschafter der Schweiz und ehemaliger OSZE-Unterhändler in der Ostukraine

Clara Lipkowski, Redaktorin und Russland-Expertin des «Tages-Anzeigers»

Jeronim Perović, Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität Zürich

Alla Sarbach, Juristin und Mitglied des Ukrainischen Vereins in der Schweiz

Moderation: Christof Münger, Leiter des Ressorts «International» des «Tages-Anzeigers»

Hier geht es zum Vorverkauf: https://kaufleuten.ch/event/ukraine-podium

Auch der slowakische Ministerpräsident Robert Fico sagte nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, dieser halte den Krieg 2024 für «eingefroren». Die Ukraine bereite sich auf 2025 vor. Das Zentrum für strategische und internationale Studien in Washington hingegen ist skeptischer und glaubt, dass es den Ukrainern schon im Frühsommer 2024 schwerfallen werde, russische Angriffe abzuwehren.

Die Ukrainer arbeiten zurzeit intensiv daran, mehr Männer zu mobilisieren – eine mit Problemen durchsetzte Aufgabe, die Kiew nur selbst lösen kann. Das Gleiche gilt für Rückstände und Mängel bei koordinierten Militäraktionen, wie sie westliche Analysten nach Besuchen an der ukrainischen Front während der gescheiterten Gegenoffensive beschrieben haben.

Massive Hilfe des Westens erforderlich

Klar ist: Putin hat kein Interesse an Verhandlungen, sondern will die Ukraine unterwerfen, die deshalb weiter jede Unterstützung braucht – auf Jahre hinaus. Und Kiew kann in diesem Krieg nur bestehen, wenn es technologisch überlegen wird. Das kann nur mit massiver westlicher Hilfe gelingen.

Das gilt zum Beispiel für die F-16-Kampfjets, die ohnehin – wie fast alle westliche Technik – angesichts modernerer Kampfflugzeuge wie des US-Jets F-35 technologisch nur zweite Wahl sind. Und zu allem Überfluss werden die F-16-Kampfjets nur mit grosser Verzögerung geliefert.

Dasselbe gilt für die elektronische Aufrüstung der ukrainischen Armee, damit sie in der Lage ist, Feindpositionen zu ermitteln und den Einsatz der in diesem Krieg so wichtig gewordenen, mit Kameras oder Bomben bestückten feindlichen Drohnen zu stören oder diese abzuschiessen. Gleiches gilt bei der Munition für die westlichen Flugabwehrsysteme und natürlich auch bei modernen Marschflugkörpern, mit denen die Ukrainer auch entfernte russische Stellungen auf besetztem Gebiet zerstören können.

Russlands Krieg gegen die Ukraine

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