September 8, 2024

Senegalesinnen und Senegalesen kämpfen um die Demokratie: Protest gegen die Entscheidung des Präsidenten, die Wahl zu verschieben (Dakar, 9. Februar).

In Senegal spitzt sich der Machtkampf nach der umstrittenen Verschiebung der Präsidentschaftswahl weiter zu. Der Verfassungsrat des westafrikanischen Landes erklärte am Donnerstagabend das Parlamentsvotum für nichtig, das den neuen Wahltermin auf den 15. Dezember gelegt hatte. Ursprünglich sollte die Wahl am 25. Februar stattfinden. Doch der eigentlich scheidende Präsident Macky Sall hatte kurzfristig eine Verschiebung angeordnet und das Land damit in eine seiner tiefsten politischen Krisen seit der Unabhängigkeit 1960 gestürzt. Kritiker werfen Sall einen Putsch von oben vor.

Der Verfassungsrat in Senegals Hauptstadt Dakar entschied nun, dass die Wahlverschiebung gegen die Verfassung verstosse und dass Sall nicht über das Ende seiner Amtszeit am 2. April hinaus Präsident bleiben könne. So sieht es das Gesetz vor, welches das Parlament vergangene Woche verabschiedet hatte. Eine Rückkehr zum ursprünglichen Termin am 25. Februar sei allerdings nicht möglich, entschied der Verfassungsrat, weil eine Präsidentschaftswahl mit so wenig Vorlauf nicht zu organisieren sei. Er forderte die Regierung deshalb auf, so schnell wie möglich einen neuen Termin anzusetzen.

Die wacklige Argumentation des Wiedergewählten

Die Frage ist jetzt, wie Sall auf diese Entscheidung reagiert. Bislang hat er sich noch nicht geäussert. In einem Interview mit der US-Nachrichtenagentur AP am 6. Februar hatte er allerdings offengelassen, ob er sich dem Verfassungsrat beugen werde. Sall ist seit 2012 Präsident, 2019 wurde er wiedergewählt. Mehr als zwei Amtszeiten erlaubt die Verfassung Senegals nicht. Doch immer wieder gab es Gerüchte, dass Sall sich an diese Beschränkung nicht gebunden fühlt. Denn eingeführt wurde sie, gemeinsam mit einer Verkürzung der Amtszeit auf fünf Jahre, erst 2016. Seither sei Sall, so lautet die recht wacklige Argumentation, ja erst einmal gewählt worden – und habe folglich noch eine Amtszeit gut.

Bis Sommer 2023 liess Sall offen, ob er noch einmal antritt. Erst unter dem Eindruck massiver und teils gewaltsamer Proteste erklärte er im Juli seinen Verzicht auf eine dritte Amtszeit. Die Krise schien abgewendet zu sein. Doch dann trat Sall am ersten Februarwochenende im Präsidentenpalast ans Mikrofon und erklärte die Wahl am 25. Februar für abgesagt. Einen neuen Termin nannte er nicht. Diesen legte erst zwei Tage später nach einer chaotischen Abstimmung die Nationalversammlung per Gesetz auf den 15. Dezember fest – fast zehn Monate nach dem ursprünglichen Termin. Bis dahin soll Sall im Amt bleiben.

Oppositionspolitiker werfen ihm vor, die Macht nicht aus der Hand geben zu wollen: Macky Sall im Präsidentenpalast in Dakar (9. Februar).

Sall betont seither, dass er keine weitere Amtszeit anstrebe. Das Land brauche lediglich mehr Zeit, um über die Zulassung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen zu entscheiden. Karim Wade, der Sohn des ehemaligen Präsidenten Abdoulaye Wade, war zuvor vom Rennen ausgeschlossen worden, weil er neben der senegalesischen auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt. Er legte Widerspruch gegen die Entscheidung ein. Auch ein anderer aussichtsreicher Bewerber, Ousmane Sonko, darf nicht antreten, weil er derzeit im Gefängnis sitzt.

Die Opposition spricht von einem Staatsstreich

Salls Kritiker überzeugen die Beschwichtigungen nicht. Oppositionspolitiker werfen ihm vor, die Macht nicht aus der Hand geben zu wollen; von einem Staatsstreich und von Hochverrat ist die Rede. Manche behaupten auch, dass Sall zwar abtreten wolle, die Zustimmung für den von ihm auserkorenen Nachfolger aber gegenwärtig nicht für günstig halte und die Wahl daher verschoben habe.

Die Sorge, dass das Land immer tiefer in die Krise rutscht, verschärft Präsident Sall mit seinem harten Vorgehen gegen die zahlreichen Proteste in Dakar und anderen Städten, die die Wahlverschiebung nach sich gezogen hat. Am Wochenende starben mindestens drei Demonstranten, unter ihnen ein 16-Jähriger. Eine Grossdemonstration am Dienstag in Dakar verboten die Behörden, das mobile Internet wurde unter Verweis auf «hasserfüllte und subversive Nachrichten» abgeschaltet. Nach der Entscheidung des Verfassungsrats dürften weitere Proteste nicht lange auf sich warten lassen.

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