September 8, 2024

In Brüssel gilt er als Überflieger: Richard Szostak hat mehrere Schweizer Staatssekretäre «überlebt».

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Es ist immer riskant, einen Gegenspieler zu unterschätzen: «Wie schwer macht uns dieses Bubi das Leben», amüsierte sich der «Blick», als Richard Szostak in Brüssel erstmals im Zusammenhang mit dem Schweiz-Dossier in Erscheinung trat. Der polnisch-britische Doppelbürger war damals erst 32 Jahre alt, als der damalige Kommissionschef Jean-Claude Juncker 2015 seinen diplomatischen Berater zum Mann für den direkten Draht nach Bern bestimmte. Das jugendliche Alter mag die Titulierung als «Bubi» erklären.

Richard Szostak ist immer noch da und hat mehrere Schweizer Staatssekretäre «überlebt». Mit seiner leicht verstrubbelten Frisur, der schwarzen Brille und der lispelnden Stimme sei der Pole der Prototyp des Strebers, wusste der «Blick» damals. In Brüssel wird der stets korrekte und kompetente Karrierebeamte eher als Überflieger gesehen. Am Montag lanciert er gemeinsam mit dem Schweizer Chefunterhändler Patric Franzen die Verhandlungen über die angestrebte Paketlösung zwischen Schweiz und EU. Dies parallel zum Präsidentinnentreffen zwischen Ursula von der Leyen und Viola Amherd, die am Vormittag zum symbolischen Auftakt zusammenkommen.

Virtuelle Treffen

Geplant ist, dass die beiden Chefunterhändler sich mindestens einmal pro Monat in grosser Runde treffen, in der Regel allerdings virtuell. Das sieht auf den ersten Blick nicht so aus, als hätten es die beiden Seiten sehr eilig. Allerdings sind dazwischen weitere Schaltungen auf Fachebene vorgesehen. Immerhin kennen sich Szostak und Franzen bereits von den Sondierungsgesprächen, als Livia Leu noch die Regie führte.

Laut Beobachtern können es die beiden Kontrahenten ganz gut miteinander. Das wird bei den schwierigen Verhandlungen in den nächsten Monaten nicht schaden. Richard Sozstak gilt als jemand, der selbst unter Druck die Ruhe bewahrt, nicht laut wird und freundlich bleibt. Ein einfacher Gegenspieler wird er aber nicht sein.

Das Schweizer Dossier kennt Szostak wie kaum jemand im Apparat der EU-Kommission. Ganz am Anfang sollte er mit dem damaligen Staatssekretär Mario Gattiker einen EU-kompatiblen Ausweg nach dem Erfolg der sogenannten Masseneinwanderungsinitiative suchen. Die Schweiz blitzte damals mit ihren Vorstellungen von einer Schutzklausel bei der Personenfreizügigkeit ab.

Richard Szostak sass mit am Tisch, als Staatssekretär Roberto Balzaretti der EU beim Rahmenabkommen letzte Konzessionen abringen wollte. Bekanntlich ohne Erfolg. Als Mitglied von Junckers Kabinett war er auch dabei, als die EU-Kommission mit London den Austrittsvertrag aushandelte. Die EU konnte sich am Ende gegenüber Grossbritannien praktisch auf ganzer Linie durchsetzen.

Und seit einigen Monaten leitet Szostak im Rang eines Direktors die Abteilung am Sitz der EU-Kommission, die über die korrekte Umsetzung des Brexit-Scheidungsvertrags und das umfassende Handelsabkommen mit London wacht. Teil des Direktorats sind auch die Beziehungen zur Schweiz, den EWR-Staaten sowie zu den Mikrostaaten San Marino, Monaco und Andorra.

Harte Haltung beim Brexit

Als Sohn von polnischen Eltern, die nach der Machtübernahme der Kommunisten einst die Heimat Richtung Grossbritannien verliessen, hat er eine sehr europäische Biografie. Die Grossväter kämpften gegen die Nazis und im polnischen Widerstand. In London geboren, studierte Richard Szostak in Cambridge internationale Beziehungen. Der Familienvater legt wert auf seinen polnischen Hintergrund, spricht neben der Muttersprache auch Englisch und Französisch. Junckers Kabinettschef Martin Selmayr holte ihn einst in sein Team. Der Deutsche war federführend für die harte Haltung beim Brexit und gegenüber der Schweiz.

Als diplomatischer Berater von Jean-Claude Juncker arbeitete Richard Szostak auch eng mit dem Brexit-Beauftragten Michel Barnier zusammen.

Richard Szostak gilt als Freund von Kampfsportarten – und lässt sich auch sonst nicht über den Tisch ziehen. Brexit-erprobt kennt er sich aus in den Tiefen der Beziehungen mit Drittstaaten.

An der Person des EU-Chefunterhändlers zeigt sich, wie eng verknüpft in Brüssel die Beziehungen zur Schweiz und der Brexit gesehen wurden und werden. Jedes Zugeständnis gegenüber der Schweiz könnte auch den Briten neue Ideen geben und umgekehrt. Eurokraten wie Richard Szostak wachen darüber, dass die EU den Binnenmarkt als wichtigsten Trumpf nicht leichtfertig auf Spiel setzt.

Oder anders gesagt: Ab sofort muss sich der Schweizer Chefunterhändler Patric Franzen mit dem Prätorianer der reinen Lehre des EU-Rechts messen.

Zum Auftakt der bilateralen Verhandlungen kommt Bundespräsidentin Viola Amherd (rechts) zum Kurzbesuch zu Kommissionschefin Ursula von der Leyen.

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