July 27, 2024

Putin ist allgegenwärtig in Moskau – und wähnt sich schon jetzt als Sieger der Präsidentschaftswahlen.

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Mitten im Krieg gegen die Ukraine hält Russland eine Präsidentenwahl ab, deren Sieger schon jetzt feststeht: Kremlchef Wladimir Putin wird sich aller Voraussicht nach ein Rekordergebnis bescheinigen lassen und sich so seine fünfte Amtszeit sichern. Echte Oppositionspolitiker gibt es nicht, von den Wahlen werden am ersten Tag bereits Betrugsfälle und Manipulation bekannt. Die Abstimmung ist so fern demokratischer Standards, dass einige nur noch von «Scheinwahlen» sprechen. Dennoch lohnt sich genaues Hinsehen. Antworten auf sieben wichtige Fragen zur russischen Präsidentenwahl:

Wie läuft der Urnengang ab?

Russland wählt drei Tage lang: Vom 15. bis zum 17. März sind mehr als 112 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen – darunter 4,6 Millionen Menschen in den völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sowie auf der Halbinsel Krim. Hinzu kommen rund 2 Millionen Wahlberechtigte in anderen Ländern. Russland erstreckt sich über elf Zeitzonen; die Wahl beginnt im äussersten Osten und endet um 19 Uhr MEZ im Westen in der Ostsee-Exklave Kaliningrad. Mit Schliessung der letzten Wahllokale werden Prognosen veröffentlicht, die aller Voraussicht nach auf einen haushohen Sieg Putins hinweisen. Das Endergebnis will die staatliche Wahlkommission spätestens am 28. März verkünden. (Lesen Sie unseren Leitartikel: Der Westen muss Russland als Diktatur behandeln)

Was macht die Abstimmung so unfair?

Wie schon bei früheren Wahlen wird auch dieses Mal mit Betrug in grossem Stil gerechnet – auch, weil keine unabhängigen internationalen Wahlbeobachter vor Ort sind. Bereits die Länge der Wahl – drei Tage – bietet viel Zeit für Fälschungen. Es wird erwartet, dass Wahlzettel «verloren» gehen oder mehrfach abgestimmt wird, dass grosse Stapel gefälschter Wahlzettel in die Urnen gelangen. Als besonders anfällig für Manipulation gilt die Onlinestimmabgabe, die in 24 russischen Regionen möglich ist.

Ausserdem finden Wahlen in den ukrainischen Gebieten statt, die Russland völkerrechtswidrig annektiert hat. Die Scheinabstimmungen in den besetzten Gebieten sind völkerrechtswidrig und deshalb international nicht anerkannt. Allein das macht die Präsidentschaftswahl nach internationalem Recht bereits zu illegitimen Wahlen. Hinzu kommt, dass gemäss Angaben der Wahlkommission 4,6 Millionen Menschen in diesen Gebieten stimmberechtigt sind – es leben aber nur 3,3 Millionen Menschen dort. Verstörung lösen Bilder aus, die zeigen, wie ukrainische Menschen in Anwesenheit schwer bewaffneter russischer Soldaten zur Stimmabgabe gedrängt werden.

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Und auch in Russland wird massiv Druck auf Wahlberechtigte ausgeübt. Angestellte grosser, auch staatlicher Unternehmen, Staatsbedienstete sowie Studierende werden unter Androhung von Konsequenzen dazu gedrängt, ihre Stimme abzugeben. So gibt es Berichte darüber, dass Angestellte zum Beweis ihr Kreuz auf dem Wahlzettel fotografieren sollen, andernfalls drohe die Kündigung. Studierenden soll gedroht worden sein, ihren Platz an der Universität zu verlieren.

Vor allem aber gibt es keine echte politische Auswahl. Oppositionspolitiker sind entweder ins Ausland geflohen, in Russland festgenommen worden – oder tot wie der inhaftierte Kremlgegner Alexei Nawalny, der selbst einst Präsidentschaftskandidat werden wollte.

Gibt es überhaupt ernst zu nehmende Gegenkandidaten?

Nein. Putins drei Mitbewerber – der Kommunist Nikolai Charitonow, der Liberale Wladislaw Dawankow und Leonid Sluzki von der nationalistischen Partei LDPR – sind nicht nur völlig chancenlos, sie sind in wesentlichen Punkten auch gänzlich auf Kremllinie. Jedem von ihnen prognostizieren die staatlichen Meinungsforscher 5 bis 6 Prozent der Stimmen. Putin wiederum werden 82 Prozent vorausgesagt – so viel wie noch nie zuvor seit seinem Amtsantritt im Jahr 2000.

Die einzigen wirklich oppositionellen Bewerber Jekaterina Dunzowa und Boris Nadeschdin (Lesen Sie hier ein Interview mit Nadeschdin) wurden von der Wahlkommission gar nicht erst als Kandidaten zugelassen.

Jekaterina Dunzowa trat als entschiedene Kriegsgegnerin auf, wurde aber von der Kandidatur ausgeschlossen.

Putin gilt schon jetzt als Wahlsieger. Warum hält der Kreml überhaupt noch eine Wahl ab?

Eine Erklärung ist, dass der Kreml seinem Regime so noch einen demokratischen Anschein geben will. Nach innen ist das Signal, dass sich die Menschen entscheiden können, Putin zu unterstützen, dass ihnen ein Stimmrecht eingeräumt wird, mit dem sie – theoretisch – auch Protest ausdrücken können, etwa indem sie für einen der «Gegenkandidaten» stimmen. Und auch nach aussen ist die Botschaft, dass Russland nach demokratischen Regeln funktioniere, also etwa ein verlässlicher Partner für Unternehmen ist. Dafür will der Kreml mittels Druck und Zwang die Wahlbeteiligung in die Höhe treiben, um ein aussagestarkes Ergebnis vorzuweisen. Orientiert man sich an den Daten des staatlichen russischen Meinungsforschungsinstituts Wziom, strebt der Kreml eine Beteiligung von mehr als 70 Prozent an.

Was macht die russische Opposition?

Unterstützer des gestorbenen Nawalny, auch seine Witwe Julia Nawalnaja, sowie andere Oppositionelle rufen die Russen dazu auf, am Wahltag um exakt 12 Uhr vor den Wahllokalen zu erscheinen. Von diesem «Mittag gegen Putin» erhoffen sie sich lange Schlangen, die – so die Hoffnung – zeigen sollen, wie hoch die Unzufriedenheit im Land ist. Nawalnaja fordert, «für jeden Kandidaten ausser Putin» abzustimmen oder eine ungültige Stimme abzugeben. Ob dies Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. Es wird mit Festnahmen von Wählenden gerechnet.

Wahllokal in Moskau: Internationale Beobachter sind nicht zugelassen.

Wie kann sich der Wahlausgang auf den Westen auswirken?

Beobachter gehen davon aus, dass Putin seine Schein-Wiederwahl als Bestätigung nutzen wird, um weiter gegen den Westen Stimmung zu machen – und dort Angst zu schüren. Im Superwahljahr 2024, in dem auch die Wahl zum Europaparlament und die US-Wahl anstehen, wird mit massiven russischen Desinformationskampagnen, Cyberangriffen und Deep Fakes gerechnet. Das «Taurus-Leak» kurz vor der russischen Scheinwahl zählen Experten bereits dazu. Angriffe auf Staatseinrichtungen sollen demnach das Vertrauen in diese Institutionen schwächen und Fake-Informationen Spaltung und Polarisierung zwischen Gesellschaft und Politik sowie unter verbündeten Staaten erzeugen.

Welche Rolle spielt der Krieg in der Ukraine bei diesen Wahlen?

Zurzeit verstärkte, mutmasslich ukrainische Drohnenattacken auf russisches Gebiet sowie der Einmarsch russischer, proukrainischer Kämpfer in russisches Grenzgebiet sollen die Wahl in Russland offenbar stören. Nach Angaben einiger Kämpfer will man die Menschen im Land aufrütteln, nicht oder gegen Putin zu stimmen. Diese Ereignisse gelten aber nur als «Nadelstiche« gegen das Regime.

Putin wird sein voraussichtlich hohes Wahlergebnis wohl nutzen, um einmal mehr seinen Krieg in der Ukraine zu rechtfertigen. Auch war vermutet worden, dass Putin nach der Abstimmung eine weitere Grossmobilisierung ausrufen könnte. Das gilt Beobachtern inzwischen als unwahrscheinlich, weil die Ukraine keine wesentlichen militärischen Fortschritte macht und Russland bereits jetzt auf einen langen Krieg eingestellt ist.

Mit Material der DPA.

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