July 27, 2024

Unbekannte haben laut russischen Behören die Crocus City Hall kurz vor Beginn eines Konzerts in der Stadt Krasnogorsk nordwestlich von Moskau gestürmt und das Feuer eröffnet.

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Die Terrormiliz «Islamischer Staat» hat den Anschlag auf das Veranstaltungszentrum bei Moskau mit Dutzenden Toten und Verletzten für sich reklamiert. Das meldete das IS-Sprachrohr Amak am Freitag im Internet unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen. Nach den Angreifern wird gefahndet. Spezialeinheiten der russischen Nationalgarde waren am Abend an der Crocus City Hall in der Stadt Krasnogorsk im Einsatz. Gesucht werde nach den Verbrechern, teilten die Einsatzkräfte mit. Zudem würden Personen in Sicherheit gebracht.

Der Terrorexperte Peter Neumann vom King’s College in London hält das Bekennerschreiben des IS zum Anschlag für echt. Das bestätigte Neumann am Freitag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. «Die Bekennernachricht lief über alle offiziellen IS-Kanäle. Ich und meine Kollegen können das 100%ig bestätigen», schrieb Neumann zudem auf X (vormals Twitter).

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Um wie viele Angreifer es sich handelte, war zunächst nicht bekannt. Russlands zentrales Ermittlungskomitee nahm ein Verfahren wegen eines mutmasslichen «Terrorakts» auf, wie die Behörde im Nachrichtendienst Telegram mitteilte.

Unbekannte in Tarnfarbenkleidung hätte kurz vor Konzertbeginn den Saal gestürmt und das Feuer eröffnet.

Zuvor hatte es nach Behördenangaben Schüsse und Explosionen in der Veranstaltungshalle gegeben. Unbekannte in Kleidung in Tarnfarben hätten die Crocus City Hall kurz vor Beginn eines Konzerts gestürmt und das Feuer eröffnet, teilte die russische Generalstaatsanwaltschaft mit.

Auch Kinder unter den Verletzten

Nach neuen Erkenntnissen der obersten Ermittlungsbehörde Russlands wurden beim Anschlag mehr als 60 Menschen getötet. Die Zahl nannte am frühen Samstagmorgen das Investigativkomitee. Bei den Opfern soll es sich russischen Medien zufolge sowohl um Mitarbeiter als auch um Besucher der Konzerthalle handeln.

«Totale Verzweiflung»: Reaktionen der Angehörigen vor Ort

Der Schock nach dem tödlichen Angriff auf einen Konzertsaal am Rande Moskaus am Freitag wich am Abend dem ängstlichen Warten der Familien, die oft ohne Nachrichten ihnen nahestehender Menschen waren. «Ich bin völlig in Panik, mein ganzer Körper tut weh», sagt Semjon Chrapzow der Nachrichtenagentur AFP, dessen Frau bei dem Konzert war und ihn zum Zeitpunkt des Angriffs anrief. Er konnte sie jedoch nicht genau verstehen.

«Sobald ich wusste, was los ist, bin ich hierher gekommen», sagt Chrapzow. «Ich weiss nicht, was ich tun soll. Es herrscht (ein Gefühl der) totalen Verzweiflung.»

Auch der 30-jährige Igor Bogodajew wartet auf ein Lebenszeichen seiner Frau, deren Telefon ausgeschaltet ist. «Ich habe Angst», sagt er. «Ich weiss nicht, was ich tun soll.» Seine Freunde hätten versucht, von Krankenhäusern Informationen einzuholen, um herauszufinden, ob seine Frau dort eingeliefert wurde – jedoch ohne Erfolg.

Kurz vor Konzertbeginn hätten die Menschen «plötzlich mehrere Maschinengewehrsalven und den schrecklichen Schrei einer Frau» gehört, «dann viele Schreie», sagt der Konzertbesucher Alexej, ein Musikproduzent, AFP am Telefon. Er befand sich zum Zeitpunkt des Angriffs in einer Loge. Anschliessend sei eine Massenpanik ausgebrochen.

Gemeinsam mit anderen Menschen, die vor Ort gewesen seien, habe er sich zunächst verbarrikadiert und dann versucht, so schnell wie möglich nach draussen zu gelangen. (AFP)

Gesundheitsbehörden veröffentlichten zudem eine Liste mit 145 Verletzten, von denen 115 in Krankenhäuser gebracht wurden, darunter fünf Kinder. Weil die Rettungs- und Polizeieinsätze vor Ort noch laufen, könnten die Zahlen aber noch deutlich ansteigen.

Westliche Botschaften hatten zuletzt vor Terroranschlägen in Moskau gewarnt. Der Kreml hatte dies als Provokation des Westens bezeichnet.

Unübersichtliche Lage

Das russische Zivilschutzministerium teilte mit, dass das Gebäude, in dem auch eine Konzerthalle mit Tausenden Sitzplätzen ist, auf einer Fläche von 13’000 Quadratmetern in Flammen stand.

Unübersichtliche Lage vor der Crocus City Hall: Rettungskräfte versuchen, sich einen Überblick zu verschaffen.

Der Grossbrand konnte nach Behördenangaben am Samstagmorgen eingedämmt werden. Russischen Medien zufolge trat jedoch immer noch Rauch aus dem teilweise eingestürzten Dach, Hubschrauber warfen Wasser auf das Gebäude ab.

Angriff vor dem Auftritt der Rockgruppe Piknik

In der Crocus City Hall gibt es mehrere Veranstaltungssäle, die auch für Messen genutzt werden. Es ist eine der beliebtesten Freizeitstätten für die Moskauer und die Menschen im Umland der russischen Hauptstadt. Immer wieder sind dort auch Stars aufgetreten.

Offenbar hätte es am Freitagabend ein Konzert der bekannten Rockgruppe Piknik geben sollen. Die Musiker seien bei dem Angriff nicht verletzt worden, teilte der Direktor der Gruppe, Juri Tschernyschewskyj, der russischen Nachrichtenagentur Interfax mit. Es gebe allerdings bisher keine telefonische Verbindung zum technischen Personal, betonte er.

Die Rockgruppe Piknik stammt noch aus sowjetischer Zeit. In Russland hat die Band nach wie vor viele Anhänger. Leadsänger Edmund Schkljarski hat sich öffentlich nicht zum Ukraine-Krieg geäussert. Die Gruppe steht allerdings wegen eines Auftritts auf der von Russland 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim in der Ukraine auf der schwarzen Liste.

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Putin laufend informiert

Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich nach Kremlangaben «seit der ersten Minute» über die Geschehnisse informieren lassen. Er erhalte über die entsprechenden Dienste ständig alle wichtigen Informationen über das Geschehen und die eingeleiteten Massnahmen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.

Die Chefin des Föderationsrats, dem Oberhaus des russischen Parlaments, Valentina Matwijenko, drohte den Drahtziehern des Anschlags mit Vergeltung. «Diejenigen, die hinter diesem fürchterlichen Verbrechen stehen, werden die verdiente und unausweichliche Strafe dafür erhalten», schrieb sie auf ihrem Telegram-Kanal. Der Staat werde zugleich alles tun, um den Hinterbliebenen zu helfen, kündigte sie an.

Schweizer Aussendepartement «entsetzt»

Das Schweizer Aussendepartement hat bestürzt auf den Terroranschlag reagiert. Die Schweiz sei «entsetzt» über den Anschlag, der so viele Opfer gefordert habe, hiess es in einer Stellungnahme im Kurznachrichtendienst X rund drei Stunden nach Bekanntwerden der Tat.

Die Schweiz spreche den Familien ihr tief empfundenes Beileid aus. Das EDA verfolge die Entwicklung aufmerksam.

Warnung der US-Botschaft nach Anschlag

Nach dem mutmasslichen Terroranschlag bei Moskau hat die US-Botschaft in der russischen Hauptstadt eine Warnung für amerikanische Staatsbürger herausgegeben. Amerikaner sollten die Gegend um das Veranstaltungszentrum Crocus City Hall meiden und den Anweisungen der Behörden vor Ort Folge leisten, hiess es in der Mitteilung vom Freitag. Die US-Regierung könne amerikanischen Staatsbürgern in Russland nur sehr eingeschränkt helfen. Derzeit bestehe vom US-Aussenministerium eine Reisewarnung der Stufe 4 («Do not travel»).

Die US-Botschaft hatte bereits am 7. März über einen Zeitraum von 48 Stunden hinweg vor der Teilnahme an grossen Versammlungen wie etwa Konzerten in Moskau gewarnt, da diese von Extremisten ins Visier genommen werden könnten.

Kirby: Keine Verbindung zur Ukraine

Die USA mahnten in einer ersten Reaktion an, keinen Zusammenhang mit der Ukraine herzustellen. «Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Ukraine oder Ukrainer mit den Schüssen zu tun hatten», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in Washington. Man könne noch nicht viel zu den Details mitteilen, rate aber zu diesem frühen Zeitpunkt eindringlich von der Annahme ab, dass es eine Verbindung zur Ukraine gebe.

«Die Bilder sind einfach schrecklich», betonte Kirby ausserdem und sagte, man sei in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen. Das US-Aussenministerium rate amerikanischen Staatsbürgern vor Ort dazu, grosse Menschenansammlungen zu meiden.

Kiew weist Verdacht einer Verwicklung zurück

Das Aussenministerium in Kiew hat Vorwürfe einer ukrainischen Verwicklung in den Anschlag kategorisch zurückgewiesen. «Wir halten diese Anschuldigungen für eine geplante Provokation seitens des Kremls, um die antiukrainische Hysterie in der russischen Gesellschaft weiter zu schüren», hiess es in einer am Freitag in Kiew veröffentlichten Erklärung des Ministeriums.

Ziel sei es, Kiew in den Augen der internationalen Gemeinschaft zu verunglimpfen, so das Ministerium. Zudem soll damit der Anlass für eine verschärfte Mobilmachung russischer Bürger für den Krieg gegen die Ukraine geschaffen werden. Das russische Regime kenne keine roten Linien und habe bereits eine lange Vorgeschichte von blutigen Provokationen aufzuweisen. «Es ist bereit, die eigenen Bürger für politische Zwecke zu töten, genauso wie es tausende ukrainische Zivilisten während des Krieges getötet hat», unterstrich die Behörde. Kiew rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, russische Vorwürfe einer ukrainischen Beteiligung an dem Anschlag entschieden zurückzuweisen.

Moskau nennt US-Reaktion auf Anschlag vorschnell

Das russische Aussenministerium hat kritisiert, dass die USA sehr schnell die Ukraine als möglichen Drahtzieher des Anschlags auf die Moskauer Konzerthalle entlastet haben. Es werfe Fragen auf, wenn die USA bereits solche Schlussfolgerungen zögen, während die Tragödie noch im Gang sei. Das sagte die Sprecherin des Ministeriums, Maria Sacharowa, am Freitagabend im russischen Fernsehen. «Wenn die USA oder ein anderes Land verlässliche Fakten hat, sollten sie diese der russischen Seite zukommen lassen.» Wenn es solche Fakten nicht gebe, hätten weder das Weisse Haus noch sonst jemand das Recht, vorab eine Absolution zu erteilen, sagte Sacharowa.

Die USA mahnten in einer ersten Reaktion ebenfalls, keinen Zusammenhang mit der Ukraine herzustellen. Die USA hatten zuletzt vor einem möglichen Terroranschlag in Russland gewarnt.

UN-Sicherheitsrat fordert Aufklärung

Der UN-Sicherheitsrat fordert nach dem «feigen und abscheulichen Terroranschlag» Aufklärung. Täter, Organisatoren, Finanziers und Sponsoren müssten zur Rechenschaft gezogen und vor Gericht gestellt werden, hiess es in einer am Freitagabend veröffentlichten Mitteilung des mächtigsten UN-Gremiums der Vereinten Nationen in New York. Alle Staaten seien aufgefordert, nach dem Völkerrecht und den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates aktiv mit der Regierung Russlands und anderen zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten.

Japans Vertreter im Sicherheitsrat teilte weiter mit, die Mitglieder des Sicherheitsrates verurteilten den Anschlag auf das Schärfste. Sie sprächen den Familien der Opfer und dem russischen Volk ihr tiefes Mitgefühl und Beileid aus. Der Terrorismus stelle in all seinen Formen und Ausprägungen eine der schwersten Bedrohungen für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit dar, hiess es weiter.

Erinnerung an Geiselnahme in Musical-Theater

Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin sagte am Abend sämtliche Sport-, Kultur- und sonstigen Veranstaltungen für das Wochenende ab. Er bitte um Verständnis für die Massnahme, schrieb er in seinem Telegram-Channel.

Westliche Botschaften hatten zuletzt vor Terroranschlägen in Moskau gewarnt. Der Kreml hatte dies als Provokation des Westens bezeichnet.

2002 hatten tschetschenische Bewaffnete 850 Menschen in einem Musical-Theater in ihre Gewalt gebracht. Am vierten Tag des Dramas betäubte der Inlandsgeheimdienst die Geiselnehmer und die Geiseln mit einem Gas. Die Terroristen wurden erschossen. 135 Geiseln kamen ums Leben, die meisten von ihnen durch unzureichende medizinische Versorgung.

DPA/wy/ij/fal

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