July 27, 2024

Das CNN-Logo vor der Zentrale in Atlanta.

Laut einem Medienbericht tobt beim US-Sender CNN ein interner Streit über die journalistische Berichterstattung in Bezug auf den Gazakrieg. Gleich mehrere Mitarbeiter werfen dem Sender offenbar vor, wiederholt israelische Propaganda und gleichzeitig Zensur palästinensischer Perspektiven betrieben zu haben, wie der «Guardian» schreibt. Der Bericht stützt sich der britischen Zeitung zufolge auf die Aussagen von sechs CNN-Mitarbeitern und mehr als einem Dutzend interner Aufnahmen und E-Mails.

Konkret soll es um die Berichterstattung über den islamistischen Angriff auf Israel vom 7. Oktober gehen. Aber nicht nur: «Die Mehrheit der Nachrichten seit Kriegsbeginn, unabhängig davon, wie genau die anfängliche Berichterstattung war, wurde durch eine systemische und institutionelle Voreingenommenheit innerhalb des Senders gegenüber Israel verzerrt», wirft ein CNN-Mitarbeiter dem Sender vor. Und weiter: «Letztlich läuft die Berichterstattung über den Krieg zwischen Israel und Gaza auf ein journalistisches Fehlverhalten hinaus.»

Das Ausmass des Konflikts beim Sender dürfte sich im folgenden Zitat widerspiegeln: «Einige Leute wollen raus», so ein anderer CNN-Mitarbeiter gegenüber der Zeitung.

Richtlinien gelten nur für palästinensische Sichtweisen

Jeder Artikel über den Gazakrieg müsse vor Veröffentlichung zuerst vom Sender genehmigt werden. Es gebe zudem strenge Richtlinien für die Berichterstattung, die in der CNN-Zentrale in Atlanta bestimmt würden. Dazu gehören demnach strenge Beschränkungen für Zitate der Hamas und für die Berichterstattung über andere palästinensische Sichtweisen, während israelische Regierungserklärungen für bare Münze genommen werden.

Dem «Guardian» liegt nach eigenen Angaben auch eine interne Anweisung des neuen CNN-Chefs Mark Thompson vor, in dem es heisst, dass CNN zwar über die menschlichen Folgen des israelischen Angriffs berichten werde, «wir aber weiterhin unsere Zuschauer immer an die unmittelbare Ursache dieses aktuellen Konflikts erinnern müssen, nämlich den Hamas-Angriff und deren Massenmord und Entführung von Zivilisten». Er sei es auch, der den Ton in der gesamten Berichterstattung zu Gaza vorgebe.

CNN weist Anschuldigungen zurück

Mitarbeitende kritisieren die Anweisung. Sie setze einen zu strengen Rahmen. «Wie sonst sollten Redaktoren das lesen ausser als Anweisung, dass letztlich die Hamas schuld ist, egal was die Israelis tun?», findet ein Mitarbeiter.

CNN weist die Anschuldigungen gegenüber der Zeitung zurück. Man berichte mit «detaillierten Analysen, Interviews und Berichten» über den Konflikt, so ein Sprecher. Beide Seiten würden dabei gleich behandelt: «Wir lehnen entschieden die Vorstellung ab, dass unsere Journalisten israelische Offizielle anders behandeln als andere Offizielle.»

Das Problem gibt es auch bei der BBC – nur anders

Nicht nur CNN wird fehlende Neutralität im Gazakonflikt vorgeworfen, sondern auch dem britischen Sender BBC. In diesem Fall aber gerade für die andere Partei. Journalisten des Senders sollen Tweets gelikt haben, die «antisemitische» Verschwörungstheorien über Israel verbreiteten, wie die «Daily Mail» berichtet. Der BBC-Mitarbeiterin Sally Nabil gefiel demnach ein Tweet, der am Tag der Terroranschläge gepostet wurde: «Hier ergreift der palästinensische Widerstand die Initiative und überrascht die israelischen Besatzer mit einer Operation von hoher Qualität.» Sie hatte zudem einen Tweet gelikt, in dem behauptet wurde, dass eine grosse Anzahl von Juden aus aller Welt Land in Nordzypern aufkaufen würden, um das Gebiet für Israel zu «beschlagnahmen».

Ein anderer Journalist von BBC Arabic, Ahmed Rouaba, soll einen Tweet gepostet haben, in dem er Aspekte der israelischen Blockade des Gazastreifens als «das pure Böse» bezeichnete und in einem anderen behauptete, das Land würde die Palästinenser «aushungern, um Geld für ihre Bombardierung zu sparen».

Programmleiterin schockiert mit antisemitischen Tweets

Das grösste Entsetzen löste aber die leitende Programmplanerin von BBC namens Dawn Queva aus. Sie wurde erst am Freitag vom Sender entlassen, weil sie in den sozialen Medien eine Reihe von antisemitischen Beiträgen unter anderem zum Holocaust gepostet hatte. So bezeichnete sie weisse Menschen angeblich als «barbarisch» und «blutrünstig». Das Vereinigte Königreich nannte sie «UKKK», eine Anspielung auf den Ku-Klux-Klan. Das jüdische Volk hatte sie als einen eindringenden Feind und Kolonisator bezeichnet.

Die BBC-Leitlinien verpflichten ihre Journalisten zu «angemessener Unparteilichkeit» bei sämtlichen Veröffentlichungen, wobei Nachrichtenjournalisten eine «besondere Verantwortung» für die Einhaltung deses Grundsatzes in den sozialen Medien hätten.

Rami Ruhayem, einer der BBC-Korrespondenten in Beirut, richtete kürzlich einen Brief an den BBC-Generaldirektoren Tim Davie, in dem er die Organisation der Komplizenschaft mit «Völkermord, ethnischer Säuberung und Apartheid» beschuldigt.

«Beängstigend, derzeit bei der BBC Jude zu sein»

BBC-Mitarbeiter fordern von ihrem Unternehmen eine Stellungnahme. Ein jüdischer Mitarbeiter sagt gegenüber der «Daily Mail»: «Wenn die BBC es ernst meint mit dem Kampf gegen Antisemitismus, dann muss sie das, was sie predigt, auch in die Tat umsetzen und zu den Hassverbrechen stehen, die von einem ihrer eigenen Mitarbeitern begangen wurden.» Ein anderer ebenfalls jüdischer Mitarbeiter fügte hinzu: «Die BBC muss hier eine Führungsrolle übernehmen und deutlich machen, dass Rassismus Rassismus ist und nicht toleriert wird.»

Der ehemalige BBC-Moderator Andrew Neil sagte, Ex-Kolleginnen und -Kollegen hätten ihm erzählt, es sei «beängstigend», derzeit bei der BBC Jude zu sein. Auf X schreibt er: «Wo sind der Generaldirektor und seine Armee von BBC-Führungskräften, die grosse Gehälter beziehen, um solche Dinge in den Griff zu bekommen?» Er zeigte sich erleichtert über die Nachricht, dass der Programmleiterin gekündigt wurde.

«Diese Beiträge sind absolut entsetzlich. Rassistische Verschwörungstheorien und Holocaustleugnungen haben bei unserer öffentlichen Rundfunkanstalt nichts zu suchen, aber es wird immer lästiger, dass wir darauf hinweisen müssen», so ein Sprecher der Kampagne gegen Antisemitismus in England. «Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendeine Person bei der BBC eine hetzerische Bemerkung über Juden veröffentlicht.»

Die BBC bestätigte gegenüber der «Daily Mail» inzwischen, dass die genannte Journalistin nicht mehr beim Sender angestellt sei. Man äussere sich aber nicht zu «individuellen Personalangelegenheiten oder individuellen Beiträgen in den sozialen Medien», so ein Sprecher. «Wir nehmen jedoch alle Verstösse gegen unsere Richtlinien für soziale Medien sehr ernst und ergreifen wenn nötig immer angemessene disziplinarische Massnahmen», heisst es beim Sender.

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