July 26, 2024

Provokateur: Viktor Orban hat seinen schwedischen Amtskollegen am Dienstag zu «Verhandlungen» über Schwedens Nato-Beitritt eingeladen.

Im September verfasste der ungarische Aussenminister Peter Szijjarto einen Brief für seinen schwedischen Amtskollegen. Bekanntlich wolle Schweden der Nato beitreten, schrieb der Ungar an Aussenminister Tobias Billström. Zur Ratifizierung des Beitritts sei Schweden auf das ungarische Parlament angewiesen. Leider aber hätten schwedische Politiker durch eine Reihe von «voreingenommenen, unfairen und unwahren Behauptungen» von sich reden gemacht. Die Vorwürfe aus Stockholm beträfen die ungarische Demokratie und die Fähigkeit des ungarischen Volkes, selbst über seine Zukunft zu entscheiden.

Der Brief war eine offene Provokation, die der ungarische Regierungssprecher genüsslich auf X (ehemals Twitter) stellte. Die Botschaft war klar: Wenn Schweden seine Kritik nicht zurücknehme, könne das Land noch lange auf den Nato-Beitritt warten. Stockholm hatte seinen Aufnahmeantrag kurz nach dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine gestellt, gemeinsam mit Finnland, das mittlerweile zur Nato gehört.

Das Parlament schob die entscheidende Abstimmung auf

Die Aufnahme war lange nicht sicher, weil die Türkei und Ungarn den Beitritt verzögerten. Istanbul hatte erst zugestimmt, aber dann nahm Recep Tayyip Erdogan sein Ja zurück, mit Verweis auf antimuslimische Ausschreitungen in Schweden. In Ungarn signalisierte der Premier, man werde nicht das letzte Land sein, das Ja sage. Doch das ungarische Parlament schob die entscheidende Abstimmung von einem Monat zum nächsten.

Nun aber hat die Türkei am Dienstag den Nato-Beitritt der Schweden ratifiziert. Und Viktor Orban steht allein da. Seither entwickelt sich ein diplomatischer Krimi, dessen Ende schwer absehbar ist.

Als die Zustimmung der Türkei bevorstand, stellte Orban eine Nachricht auf X: Er habe den schwedischen Ministerpräsidenten nach Ungarn eingeladen, damit dieser mit ihm über den schwedischen Beitritt verhandeln könne. «Verhandeln» – das ist ein starkes Wort gegenüber einem Land wie Schweden, das alle anderen Ratifizierungen für den Nato-Beitritt vorweisen kann.

Orban scheint einzulenken – aber gewiss ist das nicht

Budapest schickte den Brief dann auch physisch, doch es war eine weitere Provokation. Darauf antwortete der schwedische Aussenminister Billström öffentlich: Er sehe keinen Grund für Verhandlungen, hoffe aber, dass Ungarn den Nato-Beitritt seines Landes baldmöglichst ratifiziere. Immerhin, stellte er noch fest, sei ein Brief besser als eine Ankündigung auf X.

Es wurde damit aber auch klar: Orban kann sein Machtspielchen nicht ewig fortsetzen. Ungarn ist das einzige EU-Land, das Waffenlieferungen an die Ukraine komplett ablehnt. Orban, der seit vielen Jahren die Nähe zu Wladimir Putin sucht, hat sich klar gegen Kiew positioniert.

Aber vermutlich geht es Orban nur bedingt darum, eine Stärkung des Nato-Bündnisses zu verhindern. Der Ungar versucht immer wieder mit politischen Vetos, EU-Gelder zu erhalten, die wegen des Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn blockiert sind.

Dann twitterte Orban erneut

Auch die Türkei hatte ihr Ja an Forderungen geknüpft. Erdogan verlangte von Stockholm ein härteres Vorgehen gegen die kurdische PKK und F-16-Kampfjets aus den USA. Die erste Forderung wurde weitgehend erfüllt.

Lange schien sich Orban das weitere Vorgehen bei Schwedens Nato-Beitritt offenzuhalten. Dann, am Mittwochnachmittag, twitterte er erneut: Er habe in einem Telefonat dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versichert, dass er Schwedens Beitritt unterstütze – und das Parlament werde diesen baldmöglichst ratifizieren.

Das kann, aber es muss nichts heissen. Orban betont gern und häufig, das Parlament sei unabhängig. Zugleich hat seine Partei, die Fidesz, eine deutliche Mehrheit. Wenn er gewollt hätte, hätten seine Abgeordneten längst zugestimmt. Und der Premier selbst hat schon häufiger betont, dass er den Beitritt Schwedens im Grundsatz befürwortet. Aber: Eine solche Ankündigung an einem solchen Tag kann auch sehr gut bedeuten, dass Orban einlenkt. Weil er sein Blatt überreizt hat – und das weiss.

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