July 27, 2024

Will über internationale Vorschläge zur Beilegung des Krieges nicht einmal sprechen: Israels Premier Benjamin Netanyahu.

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In Israels erfolgreichstem Krieg, dem von 1967, wurde nach sechs Tagen schon der Triumph gefeiert. Im aktuellen Krieg ist nach sechs Monaten noch kein Ende in Sicht. Die Zwischenbilanz ist erschütternd: Auf palästinensischer Seite sind gemäss der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde 33’000 Tote zu beklagen, der Gazastreifen gleicht einem Trümmerfeld, die 2,2 Millionen Bewohnerinnen und Bewohner sind von einer Hungersnot bedroht.

Israel, das nach dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober in einen gerechten Krieg gezogen ist, droht heute wegen des als rücksichtslos und überzogen empfundenen Vorgehens die internationale Isolation (lesen Sie hier über das frostige Verhältnis zwischen Biden und Netanyahu). Dieser Krieg ist ein Desaster für alle Seiten. Ein «Weiter so» darf es nicht geben.

Eine unkontrollierte Ausbreitung droht

«Weiter so» ist allerdings die Formel, die Israels Premierminister Benjamin Netanyahu ausgibt. Denn die Fortsetzung des Kriegs bedeutet für ihn auch, dass er weiter an der Macht bleibt. Den «totalen Sieg» über die Hamas verheisst er seinem Volk innerhalb weniger Wochen, höchstens einiger Monate. De facto steuern Israel und die Region aber auf einen unbegrenzten Kriegszustand zu – mit der Gefahr einer unkontrollierbaren regionalen Ausbreitung.

Andere Fronten sind aufgebrochen. Dafür sorgen schon die Herrscher in Teheran, die zur Unterstützung der palästinensischen Hamas ihre anderen hochgerüsteten Hintersassen gegen Israel in Stellung gebracht haben: die Hizbollah im Libanon, die Huthi im Jemen, die Milizen in Syrien und im Irak.

Netanyahu verstösst gleich gegen zwei Grundsätze

Niemand kann Israel das Recht absprechen, sich gegen diese Feinde zu wehren, die sich allesamt die Vernichtung des jüdischen Staates auf die Fahne geschrieben haben. Zwei Dinge aber muss Israel im Blick behalten: Es braucht Verbündete, und es sollte nicht zusätzlich Öl ins Feuer giessen. Netanyahu verstösst derzeit gegen beide Grundsätze.

Erstens verprellt der Regierungschef mit der Art der Kriegführung die Schutzmacht USA und auch die anderen Freunde im Westen. Zweitens riskiert er mit Aktionen wie dem Luftangriff im Botschaftsviertel von Damaskus eine unabsehbare Eskalation.

Der Faktor Iran – und die Chance, die er im Grunde bietet

Durch die iranische Einmischung ist der Gaza-Krieg nicht mehr nur eine Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern. Er ist Teil einer grösseren Auseinandersetzung, in der sich auch moderatere muslimische Staaten von der in Teheran geschmiedeten sogenannten «Achse des Widerstands» bedroht fühlen.

Potenziell könnten diese Staaten also israelische Verbündete sein. Ägypten und Jordanien zählen dazu, mit ihnen hat der jüdische Staat offiziell Frieden geschlossen. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Marokko, mit denen in den «Abraham-Abkommen» eine Normalisierung der Beziehungen vereinbart worden war. Vor allem aber Saudiarabien, das immer noch demonstrativ die Tür offen hält für eine Normalisierung mit Israel.

Der Hamas-Überfall am 7. Oktober war auch gegen diese sich anbahnende Normalisierung gerichtet. Denn die Islamisten in Gaza wissen so gut wie die Mullahs in Teheran, dass eine Vernichtung Israels, ihr Ziel, damit endgültig unerreichbar würde. Denn Israels Existenzrecht wäre damit auch in der nahöstlichen Nachbarschaft fest verankert. Eine Art Königsweg zu Frieden und Sicherheit also, der Israel allerdings einen Preis abverlangt: die Zustimmung zu einem Staat für die Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen.

Was die vergangenen sechs Monate gezeigt haben

Im aktuellen Kriegsgeheul erscheint das als ferne, vielleicht sogar weltfremde Vision. Aber ein Einstieg in dieses Szenario könnte unmittelbar in Gaza beginnen: mit einem Waffenstillstand im Zuge eines neuen Abkommens zur Geiselfreilassung. Mit einem Wiederaufbauplan, getragen von einer internationalen Koalition, der den Gazastreifen entmilitarisiert und damit einer Herrschaft der Hamas entzieht. Mit der Öffnung eines politischen Horizonts, der den radikalen Kräften die Grundlagen ihres Kampfes raubt. Das wäre dann tatsächlich ein «totaler Sieg» über Hamas und Konsorten.

Pläne dafür sind längst geschmiedet. Sie bilden den Kern der Nahost-Diplomatie von US-Präsident Joe Biden. Scharf abgelehnt wird das bislang von Benjamin Netanyahu, der nicht über Konzepte für den Tag danach in Gaza und schon gar nicht über eine Zweistaatenlösung diskutieren will – und stattdessen das «Weiter so» predigt bis zum Sieg.

Die vergangenen sechs Monate aber haben gezeigt, dass Israel seine Ziele nicht erreicht hat. Weder ist die Hamas vernichtet, noch sind die Geiseln befreit. Auf militärischem Weg wird es auch in Zukunft keinen eindeutigen Sieger geben. Auf dem politischen Pfad aber könnte dieser verheerende Krieg zum Katalysator werden für eine Neuordnung des Nahen Ostens. Es wäre ein Kriegsende aus Einsicht. Die Alternative dazu: weiterkämpfen bis zu einem Ende aus Erschöpfung, irgendwann, wenn alle verloren haben.

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