September 8, 2024

Der Bürgermeisterkandidat der oppositionellen CHP für Ankara, Mansur Yavas.

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Die Partei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hat die Bürgermeisterwahl in der wichtigen Metropole Istanbul nach vorläufigen inoffiziellen Ergebnissen verloren. Amtsinhaber Ekrem Imamoglu (53) von der Mitte-Links-Partei CHP gewann nach Auszählung fast aller Stimmen deutlich mit rund 51 Prozent, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu in der Nacht zum Montag berichtete. Imamoglu konnte damit an seinen spektakulären Wahlsieg von 2019 anknüpfen und seine Position als möglicher künftiger Präsidentschaftsanwärter stärken. Sein Herausforderer, der ehemalige Städtebauminister Murat Kurum, erreichte demnach lediglich rund 40 Prozent der Stimmen. Istanbul hat rund 16 Millionen Einwohner.

Istanbuls amtierender Bürgermeister Ekrem Imamoglu hält in Istanbul eine Rede. (31. März 2024 )

Erdogan verfehlte damit sein wichtigstes Ziel bei der Wahl, mit seiner islamisch-konservativen AKP die politisch wichtige Metropole Istanbul zurückzugewinnen. In fünf der grössten Städte des Landes konnte sich die Opposition bei den Bürgermeisterwahlen inoffiziellen Teilergebnissen zufolge durchsetzen – besonders deutlich in der Hauptstadt Ankara. Dort gewann der amtierende Bürgermeister Mansur Yavas laut Anadolu mit einem Vorsprung von mehr als 20 Prozent auf seinen Herausforderer.

Erdogan bedauert Ergebnis

«Wir haben nicht das Ergebnis erzielt, das wir uns gewünscht und erhofft haben», räumte Erdogan bereits am späten Sonntagabend in Ankara ein. Die Wahl wurde auch als Stimmungstest für Erdogan gewertet, der im vergangenen Jahr nach 20 Jahren an der Macht wiedergewählt worden war. Landesweit zeichneten sich nun für seine islamisch-konservative AKP vorläufigen inoffiziellen Ergebnissen zufolge starke Verluste ab. Die Wähler haben Erdogans Partei Beobachtern zufolge damit auch für die hohe Inflationsrate und die wirtschaftliche Lage abgestraft. Oppositionschef Özgür Özel sprach von einem «historischen Ergebnis», das zeige, dass die Wähler eine neue Politik wollten. Imamoglu sagte, die Ergebnisse seien eine wichtige Botschaft an die Welt, wo die Demokratie zurückgehe und autoritäre Regierungen im Aufwind seien.

Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Frau Emine bei der Stimmabgabe in Istanbul.

Imamoglu gilt als Hoffnungsträger der Opposition. Er hatte Erdogans regierender AKP 2019 die Macht in Istanbul entrissen und damit 25 Jahre der Regierung islamisch-konservativer Parteien beendet. Die AKP liess die Wahl damals annullieren. In der zweiten Runde gewann Imamoglu mit noch grösserem Abstand – der Erfolg galt bislang als schwerster Rückschlag in Erdogans politischer Karriere. In Istanbul hatte einst auch Erdogans politischer Aufstieg seinen Anfang genommen, als er 1994 zum Bürgermeister gewählt wurde. Erdogan hatte sich persönlich im Wahlkampf um Istanbul eingesetzt.

Zerstrittene Opposition

Die Opposition, die bei der Parlaments- und Präsidentenwahl 2023 noch im Bündnis antrat, ging zerstritten in die Abstimmung. Anders als bei der vergangenen Kommunalwahl 2019 konnte Imamoglu keinen Oppositionsblock hinter sich vereinen – und entschied die Wahl dennoch für sich.

Rund 61 Millionen Menschen waren in der Türkei dazu aufgerufen, Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Der Wahlkampf galt als unfair – ein Grossteil der Medien in der Türkei steht unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung. Bestimmende Themen waren neben der hohen Inflation von offiziell 67 Prozent, Erdbebenvorsorge und Infrastrukturprojekte.

Gewaltausbruch im Südosten

In der südosttürkischen Metropole Diyarbakir wurde am Sonntag ein Mensch getötet, elf weitere wurden verletzt, nachdem ein Streit über die Wahl eines Gemeindevorstehers ausgeartet war, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Auch in der Provinz Siirt sei ein Streit rund um die Wahl eskaliert und dabei ein Mensch getötet worden.

Die Wahl fand unter schwierigen Vorzeichen statt: Die hohe Inflationsrate und die wirtschaftliche Lage dürften Erdogans Partei Stimmen gekostet haben. Die Opposition wiederum, die bei der Parlaments- und Präsidentenwahl 2023 noch im Bündnis antrat, galt als zerstritten und trat nicht mehr geschlossen an.

Der Wahlkampf galt als unfair – ein Grossteil der Medien in der Türkei steht unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung. Grössere Unregelmässigkeiten bei der Abstimmung wurden zunächst nicht gemeldet. Die Partei DEM teilte mit, in der südosttürkischen Provinz Sanliurfa hätten Beamte versucht, an mehr als einer Urne abzustimmen. Man habe dies verhindert und dokumentiert.

Eine Delegation des Europarats und der Partei die Linke beobachtete die Wahlen vor Ort. Einen geordneten Ablauf sollten auch Tausende Freiwillige gewährleisten. Der Verein Oy ve Ötesi erklärte kurz vor der Abstimmung, man habe 30’000 Menschen rekrutieren können. Das seien mehr als bei den Kommunalwahlen 2019, aber deutlich weniger als bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2023, zu denen sich 200’000 Menschen als Wahlhelfer gemeldet hätten.

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DPA

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