September 8, 2024

Er ist jetzt Persona non grata in Israel: Brasiliens Präsident Lula da Silva, hier in Brasilia im September 2023.

Brasiliens Präsident Lula da Silva sieht sich gerne als Brückenbauer, nun aber ist er zur «unerwünschten Person» in Israel erklärt worden. Am Wochenende hatte der 78-Jährige gesagt, Israels Vorgehen im Gazastreifen sei kein Krieg, sondern ein Völkermord, vergleichbar nur mit einem Zeitpunkt der Geschichte: «Als Hitler beschloss, die Juden zu töten.»

Über diese Entgleisung kann man sich wundern. Ganz überraschend aber kommt sie nicht. Denn in von Krisen und Kriegen geplagten Zeiten kollidiert Lulas vermittelndes Selbstbild immer öfter mit einem veralteten Weltbild. Und damit ist er in Lateinamerika leider nicht allein.

Vor allem linke Regierungen der Region tun sich zum Beispiel schwer damit, die Diktaturen in Kuba oder Venezuela zu verurteilen. Zu schön die Erinnerung an die einstigen gemeinsamen Ideale, auch wenn die Regime in Caracas oder Havanna diese längst verraten haben.

Ähnlich verhält es sich mit Russland: Moskau war für Lateinamerikas Linke lange ein Freund, allein schon deshalb, weil man gemeinsam gegen den bösen Imperialismus kämpfte. Mittlerweile sitzt im Kreml zwar ein autoritärer Kriegstreiber, Kritik am Einmarsch Russlands in die Ukraine bleibt dennoch aus. Im Gegenteil: «Zu einem Krieg gehören immer zwei», befand Lula da Silva bei einem Treffen letztes Jahr mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz.

Nun also Israel. Auch hier stand man in linken Kreisen von Argentinien, Chile, Mexiko, Kolumbien oder Brasilien in der Vergangenheit vor allem auf der Seite der Palästinenser. Die Hamas sah man als Befreiungskämpfer, nicht als mafiöse Terrorgruppe. Selbst die Massaker vom 7. Oktober 2023 konnten dieses Bild nicht ändern.

Natürlich kann man Israels Vorgehen kritisch gegenüberstehen. Den Krieg im Gazastreifen aber mit dem Holocaust gleichzustellen, ist eine üble Fehleinschätzung, entstanden auch aus einem veralteten Weltbild. Nicht nur Brasiliens Staatschef täte gut daran, es zu überdenken.

Mehr über den Krieg in Nahost

«Der Optimismus der Ukrainer hat sich abgenutzt»Interview zum Krieg in der Ukraine«Der Optimismus der Ukrainer hat sich abgenutzt»

Sorge vor Krieg in Libanon wächstEskalation im NahostkonfliktSorge vor Krieg in Libanon wächst

Zwei Tote laut Medien bei israelischem Angriff auf Damaskus | Bericht: Bodenoffensive in Rafah vor Ramadan unwahrscheinlichNewsticker zum Krieg in NahostZwei Tote laut Medien bei israelischem Angriff auf Damaskus | Bericht: Bodenoffensive in Rafah vor Ramadan unwahrscheinlich

0 Kommentare