July 27, 2024

Grosser Ärger über die EU-Bürokratie: Bauerndemo in Polen.

Der kleine Ort Hodonin, zwischen Tschechien und der Slowakei, mitten im Herzen Europas, wird am Donnerstag zum Ort grenzübergreifender Proteste. «Wir sind Bauern, keine Beamten», lautet eine der Parolen, die auf Tschechisch und auf Slowakisch an den Traktoren zu sehen sind. Auch an tschechischen Grenzübergängen zu Polen und Deutschland gibt es gemeinsame Proteste der Bauern. Tausende Fahrzeuge blockieren die Grenzen, in der Slowakei fahren die Bauern zum Regierungssitz in Bratislava.

Der Ärger über die europäische Bürokratie verbindet die Bauern von Lettland bis Bulgarien, in vielen dieser Länder tragen sie diesen Unmut am Donnerstag auf die Strassen. Bauernverbände aus zehn Ländern – Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Polen, Lettland, Litauen, Kroatien, Slowenien, Bulgarien und Rumänien – hatten sich auf ein gemeinsames Manifest geeinigt. Darin fordern sie den Schutz der einheimischen Landwirtschaft gegen Benachteiligung und Konkurrenz von ausserhalb der EU.

Unbeliebter Green Deal

Der Protest richtet sich wesentlich gegen den Green Deal der EU, die Vorschriften empfinden die Landwirte als zu harsch und nicht umsetzbar. Zudem sollten ukrainische Waren wieder verzollt werden, in Lettland kommt auch die Forderung hinzu, landwirtschaftliche Importe aus Russland und Weissrussland zu verbieten.

Bereits vor diesem Donnerstag hatte es Proteste etwa im Baltikum und auch in Tschechien gegeben. Doch während Tschechen und Litauer eher pragmatisch auftreten und etwa versprechen, kein grösseres Verkehrschaos anzurichten, werden die Proteste in Polen immer hitziger. Schon seit fast einem Jahr machen die Bauern dort immer wieder ihrem Ärger über die Importe aus der Ukraine Luft.

Grenzübergang zur Ukraine blockiert

Was die polnischen Landwirte von diesen Importen halten, machten sie in den vergangenen Tagen deutlich, indem sie einmal Getreide, kurz darauf Mais aus ukrainischen Lastwagen auf der Strasse verschütteten. Seit Tagen blockieren sie auch wieder die Grenzübergänge zur Ukraine. Nachdem Gespräche zwischen den Landwirtschaftsministern kein Ergebnis gebracht haben, will sich der ukrainische Präsident nun persönlich um den Streit kümmern und rief Polens Präsidenten Andrzej Duda und Premier Donald Tusk auf, sich mit ihm an der Grenze zu treffen.

Tusk sagte am Donnerstag, es werde ein Treffen geben. Aber wie geplant am 28. März in Warschau. Er hoffe, schon vorher eine Lösung für den Getreidestreit zu finden. Daran müsse auch die EU-Kommission beteiligt werden. An diesem Freitag will er mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei deren Besuch in Warschau das Thema ansprechen.

Bereits seit Monaten kann die Ukraine viele Exporte wieder über ihre Schwarzmeerhäfen abwickeln. Gefährlich ist der Transport übers Meer weiterhin, denn die Russen haben Seeminen verlegt. Präsident Selenski teilte aber mit, dass nur noch fünf Prozent der Exporte über den Landweg gehen. Er beklagte, die polnische Solidarität erodiere, durch die Grenzblockaden würden kriegswichtige Lieferungen zu lange aufgehalten. Alles spiele nur den Russen in die Hände, so sagte Selenski diese Woche.

«Putin, mach Ordnung in der Ukraine»

Bei den landesweiten polnischen Protesten war am Dienstag in Schlesien ein Traktor aufgefallen, an dem eine sowjetische Fahne flatterte. Auf einem Transparent stand geschrieben: «Putin, mach Ordnung in der Ukraine, in Brüssel und bei unserer Regierung». Der Fall löste landesweit Empörung aus, die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen totalitärer Propaganda und Aufruf zu Hass aufgenommen. Es mag ein Einzelfall sein, dennoch wurden die Proteste der Bauern und der Spediteure von Anfang an immer auch von der rechtsextremen, antiukrainisch eingestellten Konfederacja-Partei unterstützt.

Donald Tusk verurteilte den Vorfall in Schlesien scharf. Es gehe nicht an, sagte er am Donnerstag, «dass bei den Protesten Menschen aktiv sind, die Putin unterstützen». Grundsätzlich äusserte Tusk aber Verständnis für die Landwirte und rief dazu auf, die Dinge auseinanderzuhalten. Die Solidarität Polens mit der Ukraine stehe ausser Frage. Doch müsse auch der einheimische Markt geschützt werden.

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