July 27, 2024

Bezeichnet sich als einer der letzten Sozialisten: George Galloway.

George Galloway kam am Montagvormittag beim Parlamentsgelände in Westminster an, Fotografen und Kameras warteten schon. Galloway, der selten Chancen für ein Fernsehinterview ungenutzt lässt, liess das Fenster seines Wagens herunter. Er fühle sich gut, sagte er, und was das Parlament angehe, das er gleich betreten werde: «Ich mochte das Gebäude immer. Die Leute darin nicht so sehr.»

Der Clip lief am Montag in einer Art Dauerschleife in den englischen Nachrichtensendern: als Auftakt für ein paar Monate, auf die sich kaum jemand im Parlamentsgebäude freut. Galloway mag die Leute darin nicht, aber sie mögen auch ihn nicht.

Politiker ohne Programm

George Galloway wurde Ende vergangener Woche gewählt und am Montagnachmittag im britischen Parlament eingeschworen, er ist damit auch offiziell der erste Abgeordnete der 2019 von ihm gegründeten Workers Party. Somit ist ihm das Kunststück gelungen, zum dritten Mal mit drei verschiedenen Parteien ins Unterhaus gewählt zu werden.

Nach seiner Zeit als Labour-Abgeordneter für Glasgow und später für Bethnal Green in London von 1987 bis 2010 gewann er 2012 die Nachwahl in Bradford West für die (inzwischen aufgelöste) Respect Party. In Westminster fragen sich jetzt viele, was das wohl bedeuten mag, wenn einer wie Galloway schon wieder ins Unterhaus einzieht, noch dazu mit einem Wahlprogramm, das wenig zu tun hatte mit den lokalen Themen in seinem Wahlkreis. Rochdale in Greater Manchester hat ungefähr 78’000 Wahlberechtigte, mehr als 30 Prozent der Bevölkerung dort sind Muslime, und Galloway liess nie einen Zweifel daran, wie er sich sieht: weniger als Abgeordneter für Rochdale, sondern mehr als Abgeordneter für Gaza.

Von der Labour-Partei ausgeschlossen

«Das ist für Gaza», sagte Galloway noch in der Nacht nach der Wahl, verbunden mit einer Warnung an Keir Starmer, den Labour-Chef, der nun «einen hohen Preis dafür bezahlen» werde, dass er «die Katastrophe im besetzten Palästina ermöglicht». Starmer wiederum entschuldigte sich bei den Wählern in Rochdale für Galloway.

Die Nachwahl war nötig geworden, weil der dortige Labour-Abgeordnete gestorben war; erst kurz vor der Wahl entzog Labour seinem Kandidaten die Unterstützung wegen Israel-feindlicher Kommentare, was letztlich den Weg für Galloway frei machte.

Der inzwischen 69-jährige Schotte war 1981 mit 27 Jahren der jüngste Chef der schottischen Labour-Partei, 1987 wurde er als Abgeordneter für Glasgow Hillhead ins britische Unterhaus gewählt. 2003 wurde er von der Labour-Partei ausgeschlossen, weil er sich gegen den damaligen Labour-Chef und Premierminister Tony Blair und dessen Entscheidung für den Irakkrieg gestellt hatte – wobei Galloway selbst mehrmals in den Irak gereist war, um Saddam Hussein zu treffen. Einmal sagte Galloway bei einem TV-Auftritt zu Hussein, er bewundere dessen «Mut, Stärke und Unermüdlichkeit».

Das Gespräch vor der Toilette

Überliefert ist zudem ein Gespräch zwischen Blair und Galloway auf der Toilette im Parlament, in dem Galloway Blair seine Meinung mitgeteilt haben soll – darauf angesprochen sagte Galloway dieser Tage, das sei nicht ganz korrekt. Das Gespräch habe nicht in, sondern vor der Toilette stattgefunden.

Alles aufzuzählen, womit Galloway im Laufe der Jahrzehnte Kritik aus den verschiedenen politischen Lagern auf sich gezogen hat, würde den Rahmen sprengen. Er macht keinen Hehl aus seinem Antisemitismus, steht klar aufseiten Palästinas und bezeichnet sich als «einer der letzten Sozialisten dieses Landes».

Bei einer Veranstaltung der University of Oxford 2013 verliess er das Podium, als er herausfand, dass einer seiner Mit-Debattierer Israeli war: «Ich diskutiere nicht mit Israelis», sagte Galloway und ging aus dem Saal. Galloway ist, je nach Perspektive, einer, der konsequent für seine Überzeugungen steht – oder ein skrupelloser Zündler, der die permanente Provokation als Mittel für möglichst viel Rampenlicht betrachtet. Zu erwarten ist, dass er in den kommenden Monaten bis zur nächsten Wahl kaum eine Gelegenheit auslassen wird, beide Sichtweisen zu bestätigen.

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