July 27, 2024

Am 30. März traten die Teams der Universitäten Oxford und Cambridge anlässlich des 169. Bootsrennens auf der Themse in London gegeneinander an. Die Männer aus Oxford unterlagen – wohl nicht zuletzt, weil sich drei der Ruderer vorgängig mit E.coli infiziert hatten.

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Vor fast 200 Jahren wurde der erste Rudererwettstreit zwischen den Achtern der Elite-Unis Oxford und Cambridge ausgetragen. Und seit 1856 – die Kriegsjahre ausgenommen – fand das populäre Rennen alljährlich auf einem Sieben-Kilometer-Abschnitt der Themse, im Westen Londons, statt.

Dieses Jahr aber erwies sich die Teilnahme an dem im Fernsehen übertragenen Sportereignis als geradezu gefährlich: Wie sich herausstellte, sassen im Boot der Männer aus Oxford drei Ruderer, die bei den Probeläufen mit E.coli (Kolibakterien) infiziert worden waren.

Einer von ihnen, Lenny Jenkins, hatte sich am Morgen vor dem Rennen noch erbrechen müssen. «Viel besser wäre es natürlich, wenn nicht so viel Scheiss im Wasser wäre», meinte Jenkins nach dem Rennen, das ein sichtlich geschwächtes Oxford verlor.

Eine «nationale Schande»

Tatsächlich war den am Wettbewerb beteiligten Sportlern und Sportlerinnen schon in den Tagen zuvor mitgeteilt worden, sie sollten eventuelle offene Wunden an Armen und Beinen vorab sorgsam verbinden, Spritzer im Gesicht möglichst schnell abwischen und nach dem Rennen duschen und ihre Boote und Gerätschaften gründlich reinigen. Erstmals wurde den Teams auch geraten, ihre Steuerleute nicht im Nachhinein aus Jux in den Fluss zu werfen, wie es beim Oxford-Cambridge-Kräftemessen immer Tradition gewesen ist.

Dank rühriger Umweltverbände war nämlich kurz vor dem Renntag bekannt geworden, dass die Themse auf der betreffenden Strecke E.coli-Werte verzeichnete, die dreimal über dem Erlaubten lagen – und zehnmal so hoch waren wie in Badewasser, das die britische Umweltschutzbehörde von der Qualität her als «ausgesprochen schlecht» einstuft. Eine «nationale Schande» nannte Oxford-Trainer Sean Bowden diese Entdeckung: «Und das betrifft ja nicht nur die Themse. Die meisten britischen Gewässer werden inzwischen als Abwasserkanäle genutzt.»

In der Tat reicht die «nationale Schande» weit über das Boat Race hinaus, das den Briten zu Ostern die miserable Wasserqualität in ihren Flüssen und Seen in aller Schärfe zu Bewusstsein brachte. Neusten Informationen der Umweltschutzbehörde zufolge ist die Zahl der Fälle, in denen Abwässer in Flüsse geleitet wurden, allein zwischen 2022 und 2023 um mehr als die Hälfte gestiegen – von 300’000 auf über 460’000 landesweit.

Notstand gefordert

Die Bosse der englischen Wasserbetriebe machen für diesen Anstieg zumindest teilweise die grössere Zahl der Monitoren verantwortlich, die solche Abwasserabführung neuerdings registrieren. Aber auch sie wissen, dass das Wetter eine zentrale Rolle spielt.

Erhöhte Niederschläge im Vorjahr, mehr Sturm und Regen haben die eigentlich nur für Notfälle gedachte direkte Zuleitung von Abwasser in Flüsse, Seen und Küstengewässer erzwungen. Und dank des Klimawandels sei in Zukunft eher noch eine Verschlechterung des Wetters zu erwarten, warnen die Meteorologen im Vereinigten Königreich.

Für eine solche Entwicklung aber sei man mit den vorhandenen Klärwerken und Kanalisationssystemen schlicht nicht gerüstet, befürchten immer mehr Experten. «Mehr und mehr Abwasser ergiesst sich in unsere Flüsse, ganze Landstriche werden inzwischen zerstört, Schwimmer werden krank», sagt Sir Ed Davey, der Chef der britischen Liberaldemokraten. Die Regierung müsse umgehend «einen nationalen Umweltnotstand ausrufen», hat Davey verlangt.

Ursprünge reichen weit zurück

Schon seit längerem mehren sich die Klagen über verseuchte Flüsse, gefährliche Badestellen, die «stille Entsorgung» von Fäkalien oder auch von giftigen Stoffen aus der Landwirtschaft. Und die von den Monitoren gemeldeten Zahlen gäben wahrscheinlich nicht einmal das wahre Ausmass der Krise wieder, fürchtet man in der Umweltschutzbehörde: Sie bezeichnen nur die Zahl der einzelnen Abwasserausstösse, nicht aber den Umfang dessen, was da in die Flüsse fliesst.

Viele Kritiker dieser Entwicklung sehen das Problem darin, dass die Wassergesellschaften jahrzehntelang nicht genug investiert haben, um die wachsende Misere zu beheben – und dass die staatliche Kontrollstelle nicht genug Kontrolle ausgeübt hat.

Vor allem Labour-Leute und Gewerkschafter machen die Privatisierung des Wassersektors durch die «Eiserne Lady» Margaret Thatcher im Jahr 1989, die «wahnwitzige» Übergabe natürlicher Lebensressourcen an eine kleine Zahl profithungriger Konzerne, verantwortlich.

Aktionäre und Direktoren dieser Unternehmen sollen, letzten Berechnungen zufolge, seit der Wasserprivatisierung insgesamt 56 Milliarden Pfund an Gewinnen eingestrichen haben, während ihre Betriebe Schulden von über 60 Milliarden anhäuften. Überfällige Reformen, die die Gewinne beeinträchtigt hätten, fanden in dieser Zeit offenbar nicht statt.

Und statt mit massiven neuen Investitionen die offenkundigen Probleme zu beheben, sehen einige der grössten Firmen – wie Thames Water – die Lösung anderswo. Sie wollen ganz einfach die Wassergebühren für ihre 16 Millionen Kunden in den nächsten Jahren um 40 Prozent anheben. Kein Wunder, dass das, zusammen mit dem Drama lebensgefährlich gewordener Bootsrennen auf der Themse, eine Menge Entrüstung ausgelöst hat in London – und Forderungen nach erneuter Vergesellschaftung des Wassers im ganzen Land.

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