September 8, 2024

Sabah Beydoun demonstriert zur Unterstützung der Palästinenser im Oktober 2023 in Dearborn, Michigan.

Am Sonntag sah sich Gretchen Whitmer schliesslich genötigt, selbst in die Debatte in ihrem Bundesstaat einzugreifen und ein Machtwort zu sprechen. Die demokratische Gouverneurin von Michigan ermahnte ihre Partei eindringlich, nicht das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren: die Wiederwahl von Donald Trump zu verhindern.

Doch vielen demokratischen Politikerinnen und Aktivisten im Staat liegt im Moment vor allem eines am Herzen: Präsident Joe Biden mitzuteilen, dass sie mit dessen Nahostpolitik in höchstem Masse unzufrieden sind.

Biden wird gewinnen – doch wie klar?

An diesem Dienstag stehen die demokratischen Vorwahlen in Michigan an. Biden wird diese deutlich gewinnen, das ist sicher. Die Frage ist jedoch, wie viele Wählerinnen und Wähler ihrem Unmut Ausdruck verleihen, indem sie sich auf dem Wahlzettel als «uncommitted» erklären, als neutral. Wenn es nur ein paar Hundert wären, dürfte Biden das ignorieren. Doch es sieht so aus, als könnte der Präsident Tausende Stimmen verlieren.

Rashida Tlaib vertritt einen Bezirk von Detroit im Repräsentantenhaus in Washington und ist das einzige Mitglied des Kongresses mit palästinensischen Wurzeln.

Michigan zählt zu den Staaten mit einem vergleichsweise hohen Anteil von Einwohnern mit Wurzeln im arabischen Raum. Es gibt dort 200’000 registrierte muslimische Wählerinnen und Wähler, weitere 300’000 Menschen haben Wurzeln im Nahen Osten. Zu den prominentesten Mitgliedern der muslimischen Gemeinde gehört die demokratische Abgeordnete Rashida Tlaib. Sie vertritt einen Bezirk von Detroit im Repräsentantenhaus in Washington und ist das einzige Mitglied des Kongresses mit palästinensischen Wurzeln.

In der vergangenen Woche hat sie ein Video veröffentlicht, in dem sie dazu aufruft, ein Zeichen an Biden zu senden. «Wir wollen kein Land, das Krieg und Bomben und Zerstörung unterstützt. Im Moment fühlen wir uns von unserer Regierung vernachlässigt und übersehen. Wenn ihr wollt, dass wir lauter sind, dann kommt hierher und stimmt mit ‹neutral›», sagt sie in dem Video. Dass eine demokratische Abgeordnete derart offen dafür wirbt, nicht für Joe Biden zu stimmen, ist bemerkenswert.

Tlaibs Schwester Layla Elabed steht einer Kampagne namens «Listen to Michigan» vor, die es sich zum Ziel gemacht hat, möglichst viele demokratische Wählerinnen und Wähler gegen Biden zu mobilisieren. Ihr Ziel ist es laut eigener Aussage, 20’000 oder mehr Stimmen zusammenzubekommen. Unterstützt wird sie auf administrativer Ebene von zwei bis drei Dutzend lokalen Politikern, darunter Abdullah Hammoud, der Bürgermeister von Dearborn, einem Vorwort von Detroit, in dem fast ein Drittel der Einwohner Muslime sind.

Vor einer Woche hat Hammoud einen Gastbeitrag in der «New York Times» veröffentlicht. Darin schreibt er: «Unsere gesamte Stadt wird von den Bildern, Videos und Geschichten aus Gaza heimgesucht. Das Leben scheint überschattet zu sein von einem Nebel aus geteilter Trauer, aus Angst, Hilflosigkeit und sogar Schuld, während wir versuchen, zu verstehen, wie unsere Steuergelder von unseren gewählten Vertretern dazu benutzt werden, unsere Verwandten in Übersee zu schlachten.»

Tausende von Menschen demonstrieren in der Innenstadt von Detroit, Michigan, um einen Waffenstillstand zu fordern und ihre Unterstützung für die Palästinenser zu bekunden.

Die Terroristen der Hamas erwähnt Hammoud mit keinem Wort. Die «schrecklichen Ereignisse des 7. Oktober» (lesen Sie hier einen Artikel über den Film, der die Massaker zeigt) streift er lediglich in einem Nebensatz. Seine grösste Sorge sei, schreibt er, dass man sich an Joe Biden nicht als den Präsidenten erinnere, der 2020 die amerikanische Demokratie rettete, sondern als denjenigen, der diese Demokratie 2024 für Benjamin Netanyahu opferte. Also für den israelischen Premier.

Die Nominierung als demokratischer Präsidentschaftskandidat ist Biden nicht zu nehmen. Doch mit Blick auf die Wahlen im November könnten die Proteste in der eigenen Partei gefährlich für ihn werden. Im Jahr 2016 hatte Trump in Michigan mit etwas mehr als 10’000 Stimmen Vorsprung gewonnen. 2020 eroberte Biden den Staat für die Demokraten zurück, mit rund 150’000 Stimmen Vorsprung auf Trump. Das ist viel, aber nicht so viel, dass er sich nennenswerte Verluste im eigenen Lager leisten könnte.

Auf Plakaten wird Biden als «Genocide Joe» bezeichnet

Bei propalästinensischen Demonstrationen an Universitäten in Michigan ist immer öfter zu hören, wenn Biden sich nicht für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza einsetze, werde man ihm im November die Unterstützung entziehen. Auf Plakaten wird er als «Genocide Joe» bezeichnet, als «Völkermord-Joe».

Biden hat mehrmals betont, dass ihm das Schicksal der palästinensischen Zivilbevölkerung nicht gleichgültig sei. Er hat die israelischen Angriffe in Gaza als unverhältnismässig bezeichnet, und er hat die Regierung von Premierminister Netanyahu öffentlich kritisiert.

Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer (lesen Sie hier das Porträt über Whitmer) erinnerte im Sender CNN daran, dass Trump während seiner Präsidentschaft kurzzeitig einen Einreisestopp für Muslime verhängt hatte, womit sie nahelegen wollte, dass Trump im Weissen Haus eher nicht als Anwalt der muslimischen Interessen wirken würde.

Die Kampagne «Listen to Michigan» teilt hingegen mit: «Biden muss sich unsere Stimmen durch einen dramatischen Kurswechsel verdienen.»

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15. bis 18. Juli: Die republikanischen Delegierten treffen sich in Milwaukee, Wisconsin. Auf dem Parteitag werden sowohl der republikanische Präsidentschaftskandidat als auch der Vizepräsidentschaftskandidat von den Delegierten offiziell gewählt, das Wahlprogramm verabschiedet und der Wahlkampf für die General Election eingeläutet.

19. bis 22. August: Die Demokraten treffen sich in Chicago, Illinois. Dabei geht es auch darum, die Reihen hinter dem Kandidatenduo Joe Biden und Kamala Harris zu schliessen.

2. September: Die heisse Phase des Wahlkampfs beginnt mit dem Labour Day. Höhepunkte sind traditionell die vier TV-Debatten, drei zwischen den Präsidentschaftskandidaten, eine zwischen den Vizes. Ob sie auch in diesem Jahr stattfinden werden, ist Gegenstand eifriger Spekulationen. Vorerst aber sind folgende TV-Duelle geplant:

  • 16. September: Erste TV-Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten in San Marcos, Texas

  • 25. September: TV-Debatte zwischen den Vize-Kandidaten in Easton, Pennsylvania

  • 1. Oktober: Zweite TV-Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten in Petersburg, Virginia

  • 9. Oktober: Dritte TV-Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten in Salt Lake City, Utah

5. November: Der Wahltag. Insgesamt sind 538 Elektorenstimmen zu vergeben, wer 270 davon holt, ist Präsident der Vereinigten Staaten. Neben dem Präsidenten werden alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus und 34 Senatoren, ein Drittel des US-Senats, gewählt. Ausserdem finden in verschiedenen Bundesstaaten Gouverneurswahlen statt.

Unsere gesammelte Berichterstattung zu den US-Wahlen finden Sie hier.

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