September 8, 2024

«Wir sind alle Amerikaner», sagt Martha Llamas. «Es spielt keine Rolle, woher du kommst.»

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Sie sass links auf dem Podium, rechts sass Donald Trump, dahinter standen die Flaggen der USA und Arizonas. «Ich bin hier, um meinen amerikanischen Traum zu teilen», begann Martha Llamas. Es war September 2020 und Trump noch US-Präsident, er hatte sie bei seinem Besuch in Phoenix als Vertreterin von Unternehmern mit lateinamerikanischen Wurzeln eingeladen. Es ging damals wie heute um Stimmen, da wurden und werden Amerikas Latinos gebraucht.

Trump redet am liebsten selbst, aber dieser Frau hörte er zu. Viereinhalb Minuten lang dauerte ihr Vortrag über ihre Kindheit in Mexiko und ihre Karriere in Amerika. «Lasst uns unser Land schützen», sagte Martha Llamas noch, als er sich bedankt hatte. «Lasst uns unseren amerikanischen Traum schützen. Wir sind alle Amerikaner. Es spielt keine Rolle, woher du kommst. Das ist unser sicherer Hafen. Lasst uns Präsident Trump für die nächsten vier Jahre wieder einsetzen.»

Die zerrissenen Vereinigten Staaten

Donald Trump oder Joe Biden? In diesem Jahr kommt es zur Neuauflage des Duells von 2020. Die folgenschwere Entscheidung über den nächsten US-Präsidenten dürfte in einigen wenigen amerikanischen Bundesstaaten fallen: in den Swing States, wo mal die Demokraten, mal die Republikaner die Mehrheit holen.

Was treibt die so unterschiedlichen Wählerinnen und Wähler in Nevada, Georgia, Arizona, Wisconsin und Pennsylvania um? Vor dem Wahltag vom 5. November 2024 stellen unsere USA-Korrespondenten in loser Folge Menschen aus diesen fünf wichtigen Swing States vor. Bereits erschienen:

  • Nevada: Gemüsebauer Rodney Mehring sagt, warum er Joe Biden unterstützt.

  • Georgia: Aktivistin Helen Butler motiviert Afroamerikaner zur Stimmabgabe.

  • Arizona: Latina Martha Llamas erklärt, warum sie Donald Trump wählt.

Knapp vier Jahre später sitzt Martha Llamas an einem Sonntagvormittag in einem Bürogebäude am Rande von Phoenix. Neben ihr steht eine polierte Elefantenfigur. Zufall, sagt sie, aber passend, der Elefant ist das Wappentier der Republikaner, ihrer Partei. Im Weissen Haus regiert seit Januar 2021 Joe Biden, ein Demokrat, den die Republikanerin Llamas für unfähig hält. «Wir wollen Trump wieder», sagt sie. «Er weiss, wie man ein Land führt. Er ist ein Geschäftsmann.»

Sie ist eine Geschäftsfrau, erfolgreich dazu, bestens gelaunt. Wer ahnen will, warum zahlreiche Wählerinnen und Wähler mit spanisch klingenden Namen Trump verehren, trotz seiner Pleiten, Skandale und Prozesse, der ist bei ihr richtig. Man fragt sich ja, wer mit einer Vergangenheit als Immigrant einen Menschen wählt, für den Immigranten ohne Papiere «das Blut unseres Landes vergiften».

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Trump will Einwanderer in Massen deportieren, falls er im November gewinnt. Er spricht von «Invasion». Tatsächlich erreichten im vergangenen Jahr 2,5 Millionen Zuwanderer, die keine Einreiseerlaubnis vorweisen konnten, das Land, oft durch die Wüste von Sonora nach Arizona. Angesichts der Stimmung wünschen sich auch die Demokraten ein scharfes Einwanderungsgesetz, aber Trump kommt das Durcheinander gelegen.

Arizonas Republikaner haben im Regionalparlament sogar beschlossen, dass Angriffe auf Fremde auf Privatgrundstücken straflos bleiben sollen. Ein Rancher hatte einen Migranten erschossen. Spätestens die demokratische Gouverneurin Katie Hobbs wird das Gesetz kippen, aber allein die Debatte zeigt, wie weit es gekommen ist. Millionen Menschen aus vielen Ländern warten in den USA darauf, dass ihr Asylantrag geprüft wird. Sie verlieren sich vor allem in Grossstädten wie New York, Los Angeles oder Phoenix.

Geht es um Mexiko, spricht sie Spanisch

Diese weitläufige, rasant wachsende Metropole wird ein Hotspot der Präsidentschaftswahl, 2020 gewann Biden hier mit 0,3 Prozent und nur 10’000 Stimmen Vorsprung gegen Trump. Jeder dritte Bewohner und jeder vierte Wähler von Arizona ist Latino oder Latina wie die Wählerin Llamas, US-Staatsbürgerin seit 2008. Nun erzählt sie in Scottsdale, schicker Nordwesten von Phoenix, aus ihrem Leben. Maricopa County, 4,5 Millionen Einwohner, einer der grössten und umkämpftesten Landkreise der Nation.

Draussen scheint die Sonne, 27 Grad im März, im Sommer werden es über 40 Grad. Drinnen im gekühlten Portal berichtet Martha Llamas von ihrem American Dream. Sie spricht meistens Englisch, Spanisch spricht sie vor allem, wenn es um ihre alte Welt geht. Die Grenze, die sie vor gut 40 Jahren überquerte, liegt knapp drei Autostunden südlich. Sie kam aus einem Dorf in Jalisco, Mexiko, wo sie ihre Wäsche im Fluss wuschen. Die Mutter brachte sie und die sieben Geschwister auf der Flucht vor dem gewalttätigen Vater und der Armut Richtung Norden. Eine Flüchtlingsgeschichte erst wie so viele, nur mit nachher anderem Verlauf.

Das Blatt wendet sich zugunsten der Republikaner: Vor vier Jahren (Bild) und auch bei den Zwischenwahlen 2022 hatten die Demokraten von den Latinos profitiert.

Als sie zehn war, fragte sie sich, wieso so viele Menschen aus dem Süden in die USA wollten. Dann ass sie ihre ersten Pommes frites aus einem amerikanischen Schnellrestaurant, für sie ein Festessen. Die Mutter fand Jobs in Arizona, sie bekamen Visa, das ging Anfang der Achtzigerjahre einfacher als heute. Sie bezogen ein Haus mit Teppich und warmem Wasser, Amerika kam ihr himmlisch vor.

Es wurde die Hölle, als sie einem älteren Mexikaner verfiel, der sich als prügelnder Drogendealer entpuppte. Es ist der Vater ihrer beiden Kinder. Bei einem Streit schoss er sie an, «das war mein erstes Leben», sagt Martha Llamas, sie lacht, sie lacht viel, ist ja später alles gut gelaufen. Ihr zweites Leben begann nach ihrer Darstellung mit der Entscheidung, lieber schwer zu arbeiten, als Sozialleistungen zu kassieren. Sie heuerte bei einem Reinigungsunternehmen an und putzte wie besessen.

Latinos leisten die amerikanische Knochenarbeit

Millionen Menschen mit einer ähnlichen Herkunft schrubben, spülen, kochen, gärtnern oder bessern Amerikas Strassen aus. Die amerikanische Knochenarbeit wird häufig von Latinos erledigt, angemessen wertgeschätzt werden sie selten. Martha Llamas dagegen stieg bei ihrem Arbeitgeber zur Managerin auf und machte sich mit ihrem amerikanischen Mann 2002 selbstständig. Inzwischen beschäftigen die beiden mehr als 70 Angestellte in ihrer Reinigungsfiliale, fast ausschliesslich Latinos alias Hispanics wie sie.

Die Schulden waren nach fünf Jahren abbezahlt, Martha Llamas wird zu Konferenzen gebeten und nahm vom republikanischen Senator Rick Scott eine Freiheitsmedaille mit Elefant darauf entgegen. Sie besitzt mit einem Partner ausserdem eine Produktionsfirma und verkauft ansonsten noch Schmuck sowie vergoldete Pistolen, glitzernd wie ihr Smartphone, das hier auf dem Stuhl neben ihr liegt. Sie mag Waffen, obwohl sie ein Schuss seinerzeit fast getötet hätte. Sie wäre gern zur US Army gegangen, «ich bin Patriotin», bei der Armee ist nun ihr Sohn. Sie liebe auch Mexiko, aber wenn sie ihr Blut geben müsste, dann für die USA, «dieses Land hat mir alles gegeben».

Die Latinos seien geteilt, sagt Martha Llamas, «aber jetzt wachen sie auf».

Das klingt sehr amerikanisch, aber von Kriegen mag sie nichts wissen, auch das spricht für sie für Trump. Unter Trump habe es keine Kriege gegeben, bei Biden seien es zwei, sagt sie. Und die Milliarden Dollar für die Ukraine: «Können wir das Geld nicht einfach hier lassen und an unseren Problemen arbeiten? Ich meine, die Obdachlosen und die Einwanderung und das, was wir hier in Ordnung bringen müssen.» Für Trump sind Immigranten im Zweifel Drogenhändler oder Vergewaltiger. «70 Prozent sind es nicht», sagt Martha Llamas. Aber ihrer Meinung nach verlasse jemand seine Heimat, weil er sehr arm sei, hungere «oder weil er kein guter Bürger des Landes ist».

Vor vier Jahren profitierten die Demokraten

Es gebe da diesen Spruch, sagt einige Meilen entfernt im Zentrum von Phoenix eine andere Frau, die einst aus Mexiko kam. «Der schlimmste Feind eines Migranten ist ein anderer Migrant.» Sie steht vor ihrem kleinen Laden für Brautmode und Mode für Kindergeburtstage neben lauter anderen Läden dieser Art von mexikanischen Einwanderern. Trump? Der zahle anders als sie nicht mal seine Steuern. Sie hat vor vier Jahren Biden gewählt, aber er hat sie enttäuscht, alles sei zu teuer, es gebe zu wenig Lehrer, trotzdem kämen da all die Zentralamerikaner ins Land. Und Biden verwechsle Mexikos Präsidenten mit dem von Ägypten.

Seine Erfahrung? Ihre Mutter sei 90, «die hat noch mehr Erfahrung». Sie wünscht sich einen jüngeren, frischeren Kandidaten. Sie hält die Wahl unter diesen Umständen für Zeitverschwendung und will diesmal daheimbleiben. Die Besitzerin einer zweisprachigen Buchhandlung in Phoenix, Ende dreissig und Tochter von Eltern aus Mexiko, will zur Wahl gar nichts sagen. Sie sei an keiner der beiden Parteien wirklich interessiert, schreibt sie, gerade beschäftigt mit einer Waffenstillstandsaktion für Gaza. Ihr Motto: «Viel Liebe, Bücher und Befreiung.»

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Die Apathie dort und die Sympathie für Trump hier müssen dem Präsidenten zu denken geben, vor vier Jahren und auch bei den Zwischenwahlen 2022 hatten die Demokraten von den Latinos profitiert. Etliche Initiativen versuchen, die Zweifler zu aktivieren, noch sind fast acht Monate Zeit und am Dienstag erst mal Vorwahlen in Arizona. Bidens nationale Wahlkampfmanagerin Julie Chávez Rodriguez kommt selbst aus einer Migrantenfamilie.

Martha Llamas hat Donald Trump 2016 gewählt, das war ihre Reaktion auf Barack Obama und Obamacare, wegen der obligatorischen Versicherung habe sie Mitarbeiter entlassen müssen. Sie wird Trump wie 2020 auch 2024 wählen. Die Latinos seien geteilt, «aber jetzt wachen sie auf», glaubt sie. Wenn Biden trotzdem gewinne, «dann sollen sie sich nicht beschweren, wenn sie mehr Steuern zahlen und wir in einen neuen Krieg ziehen», sagt Martha Llamas, die US-Mexikanerin mit dem American Dream.

Wahlkampf in den USA

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US-Wahlen 2024 – der aktuelle Stand und kommende Termine

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15. bis 18. Juli: Die republikanischen Delegierten treffen sich in Milwaukee, Wisconsin. Auf dem Parteitag werden sowohl der republikanische Präsidentschaftskandidat als auch der Vizepräsidentschaftskandidat von den Delegierten offiziell gewählt, das Wahlprogramm verabschiedet und der Wahlkampf für die General Election eingeläutet.

19. bis 22. August: Die Demokraten treffen sich in Chicago, Illinois. Dabei geht es auch darum, die Reihen hinter dem Kandidatenduo Joe Biden und Kamala Harris zu schliessen.

2. September: Die heisse Phase des Wahlkampfs beginnt mit dem Labour Day. Höhepunkte sind traditionell die vier TV-Debatten, drei zwischen den Präsidentschaftskandidaten, eine zwischen den Vizes. Ob sie auch in diesem Jahr stattfinden werden, ist Gegenstand eifriger Spekulationen. Vorerst aber sind folgende TV-Duelle geplant:

  • 16. September: Erste TV-Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten in San Marcos, Texas

  • 25. September: TV-Debatte zwischen den Vize-Kandidaten in Easton, Pennsylvania

  • 1. Oktober: Zweite TV-Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten in Petersburg, Virginia

  • 9. Oktober: Dritte TV-Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten in Salt Lake City, Utah

5. November: Der Wahltag. Insgesamt sind 538 Elektorenstimmen zu vergeben, wer 270 davon holt, ist Präsident der Vereinigten Staaten. Neben dem Präsidenten werden alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus und 34 Senatoren, ein Drittel des US-Senats, gewählt. Ausserdem finden in verschiedenen Bundesstaaten Gouverneurswahlen statt.

Unsere gesammelte Berichterstattung zu den US-Wahlen finden Sie hier.

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