September 8, 2024

Ist kein Priester: Der junge Mann, der seit Jahren das Titelblatt des beliebten Calendario Romano ziert. Die Ausgabe 2014 kostete noch 6 Euro, heute sind es 10 Euro.

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Das Schwarzweissfoto des jungen Mannes ist unübersehbar. Er sieht aus wie ein hübscherer Matt Damon und hängt an allen Kiosken in Rom, als Titelblatt des Calendario Romano, A4-Format, 10 Euro. Darin zu sehen: zwölf fesche Priester in Talaren, reich bestickten Gewändern oder mit dem unverkennbaren weissen Kragen, stets abgelichtet vor altem Gemäuer oder klerikalem Hintergrund.

Klassische Touristeninformationen über den Vatikan finden sich darin auch, aber natürlich interessiert sich niemand für das Gründungsjahr der Schweizergarde oder die Notfallnummer der Apotheke vom Heiligen Stuhl. Nicht einmal jetzt, da die katholischen Gläubigen in grosser Zahl nach Rom reisen, um am Ostersonntag dem Urbi et Orbi von Papst Franziskus auf dem Petersplatz zu lauschen.

Zu sündig? Einer der zwölf «divine dudes» des Calendario Romano.

Denn wer ein Exemplar des umgangssprachlich calendario «preti pin-up» (Kalender mit den «Pin-up-Priestern») genannten Souvenirs kauft, tut das aus einem anderen, einem einzigen Grund: wegen der «hot priests», den «divine dudes», den «preti sexy», die darin abgebildet sind. Sie haben das Souvenir längst zum Verkaufsschlager der Ewigen Stadt gemacht.

Kürzlich berichteten internationale Medien mit einer Mischung aus Empörung und Belustigung, die fotografierten Geistlichen seien gar keine echten Geistlichen. Das war mitnichten ein Skandal, denn Fotograf Piero Pazzi hatte just dies schon vor Jahren freimütig zugegeben. Es tat der Begeisterung der keineswegs nur katholischen Touristinnen und Touristen keinen Abbruch.

Es geht um äussere, nicht um innere Werte

Als Pazzi den Calendario vor 20 Jahren lancierte, wollte er damit nach eigenem Bekunden Werbung für Rom machen. Und was, hatte er überlegt, würde besser passen als Aufnahmen von Geistlichen, die das Bild der Ewigen Stadt prägen? Weil aber schon lange vor Instagram klar war, dass Bilder vor allem dann eine unvergleichliche Anziehungskraft entfalten, wenn Jugend und Schönheit aufeinandertreffen, musste Pazzi ein wenig nachhelfen. Er setzte deshalb mehr auf die äusseren denn die inneren Werte. Seine Models mussten überhaupt nicht Priester sein – ja, nicht einmal Mitglied der katholischen Kirche –, sondern einfach optisch was hermachen.

Dank der zeitlosen Mode vor ebenso zeitlosem Hintergrund bleiben dieselben Models ewig jung.

Entstanden sind die Bilder auch nicht in Rom selbst, sondern teilweise in Sevilla, wo Pazzi eine Weile lang lebte. Manche der jungen Männer entdeckte er zufällig, etwa an Prozessionen, andere fand er per Casting, zu denen er anfangs noch in vier Sprachen aufrief. Als er mehr oder weniger zwölf Kandidaten zusammen hatte, beliess er es dabei.

Und so verwendet er seit Jahren fast ausschliesslich dieselben Bilder, wechselt höchstens einmal die Reihenfolge. Funktioniert hervorragend, schliesslich ist die klerikale Mode so, wie alle Designer gern entwerfen würden: zeitlos. Heisst, man sieht den Aufnahmen ihr Alter nicht an, zumal der Hintergrund meist ein historisches Gebäude ist – die sind genauso zeitlos.

Verkaufszahlen bleiben geheim

Der junge Mann, der nun schon sehr lange das Titelbild ziert, ist allerdings tatsächlich Italiener. Genauer: Sizilianer. Er war 17 Jahre alt, als er für Pazzi posierte, und hatte keine Ahnung, wofür die Aufnahme dereinst verwendet würde. Heute ist er Ende 30 und arbeitet als Flugbegleiter. Beteiligt am Umsatz sei er nie gewesen, sagte er gegenüber italienischen Zeitungen.

Wie viel er mit seinem Kalender verdient, hält Pazzi genauso geheim wie die Anzahl der verkauften Exemplare. Die in den Medien immer wieder herumgereichten 75’000 Stück pro Jahr mochte er nie bestätigen. Das wären angesichts von sieben bis zehn Millionen Besuchern, die Rom jährlich verzeichnet, ohnehin nicht sehr viele. Den Erlös behält Pazzi dafür nicht für sich: Er gehe an die Missbrauchsopfer der katholischen Kirche, sagt er. Das ist der traurige Teil der Geschichte.

Déjà-vu mit Coverboy: Von Ausgabe 2018 grüsste ein alter Bekannter.

Ansonsten sorgt der Calendario Romano vor allem für Heiterkeit. Unzählige Zeitungen hatte der eindeutige Unterton der Bilder zu zweideutigen Schlagzeilen hinreissen lassen, wobei «holy hotties» noch züchtig war im Vergleich zu dem, was der «Guardian» einst titelte: «Vergib mir Vater, ich habe Lust, zu sündigen».

Tatsächlich musste sich Piero Pazzi hin und wieder vorwerfen lassen, er würde mit seinen «hot priests» quasi zur Sünde verleiten. Der Vatikan indes hat sich bis heute nie beschwert. Weder beim Fotografen direkt noch sonst irgendwo; der Heilige Stuhl schwieg zu den Glaubensbrüdern, die gar keine sind. Das Marketingpotenzial hatte man wohl zweifelsfrei erkannt, 2008 jedenfalls wurde der Calendario am Weltjugendtag in Sydney als inoffizielles Werbeprodukt verteilt.

In einem Punkt geht Pazzi dann trotzdem mit der Zeit. Man kann den Kalender mittlerweile unter Calendarioromano.org auch online bestellen. Die Ausgabe 2025 ist bereits parat, Mindestbestellmenge zwei Stück, Preis pro Stück 17.90 Euro, Versandkosten 7.99 Euro, innerhalb von vier Tagen geliefert.

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