September 16, 2024

Maximilian Krah meint, er habe aus einer Pressemitteilung von der Verhaftung seines Mitarbeiters erfahren.

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Fünfzehn Minuten hat er noch, dann muss er weiter. Maximilian Krah, Segelschuhe, Barbour-Jacke, lächelt freundlich und bittet zum Gespräch in sein Büro. Viel wird der AfD-Europaabgeordnete nicht sagen zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft gegen seinen Büromitarbeiter Jian G., der in der Nacht zu Dienstag wegen Spionagevorwürfen verhaftet wurde. Maximilian Krah ist in Strassburg, letzte Plenarwoche des EU-Parlaments vor der Europawahl. Es stehen wichtige Abstimmungen an, aber im Plenum liess sich der AfD-Abgeordnete nicht blicken. Zu gross war ihm offenbar das Risiko, von Kameras belagert zu werden.

Erst wenige Stunden zuvor habe er von der Verhaftung seines Mitarbeiters Jian G. erfahren, sagt Krah, aus der Pressemitteilung der deutschen Bundesanwaltschaft. Dementsprechend wenig wisse er über die konkreten Vorwürfe. Hinweise darauf, dass sein Assistent G. für chinesische Dienste spioniert haben könnte, habe er nicht gehabt.

Er habe gleich prüfen lassen, ob G. Zugang zu als geheim eingestuften Dokumenten gehabt habe – negativ. Denkt er schon über Konsequenzen nach? «Nein», sagt er, «sehen Sie, es ist ja kein Vorwurf gegen mich persönlich. Ich müsste mir ja vorwerfen lassen, ich hätte nicht genau hingeschaut. Dazu möchte ich erst einmal wissen, was genau der Vorwurf gegen meinen Mitarbeiter ist.»

Krah steht selbst im Fokus

Krah ist Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl am 9. Juni, die Nachrichten in eigener Sache waren für ihn schon in den Wochen zuvor nicht gerade politischer Rückenwind. Vergangenen Dezember hatte ihn das FBI befragt, weil er verdächtigt wurde, Zahlungen von einem prorussischen Aktivisten erhalten zu haben, und bei einer US-Reise viel Bargeld dabeihatte. Zudem geriet er in die Kritik, weil er dem prorussischen Internetportal «Voice of Europe» Interviews gegeben hatte. In dessen Umfeld soll Geld an EU-Abgeordnete geflossen sein. Krah bestreitet, Geld angenommen zu haben.

Seit Dienstagmorgen nun ist die Karriere von Maximilian Krah um eine weitere Wendung reicher. Wieder geht es um dubiose Kontakte. Am Montagabend liess die Bundesanwaltschaft den chinesischstämmigen Deutschen Jian G. in Dresden festnehmen und seine Wohnung durchsuchen. Er soll für einen chinesischen Geheimdienst gearbeitet haben. Und er arbeitete für Maximilian Krah. Der Fall könnte noch grosse politische Sprengkraft entfalten.

Die Website von Krah listet Jian G. als «akkreditierten Assistenten» seines Brüsseler Büros. Die Ermittler gehen davon aus, dass G. aus seiner Arbeit im Parlamentsbetrieb Informationen an das chinesische Ministerium für Staatssicherheit (MSS) übermittelt hat. G. spricht fliessend Deutsch, nach eigenen Angaben hat er von 2001 bis 2009 an der TU Dresden Geschichte und Germanistik studiert.

Politisch stand er zunächst offenbar einer ganz anderen Partei nah. Nach Informationen dieser Redaktion war G. bis 2015 SPD-Mitglied. Er habe «persönlich keine Kontakte zu staatlichen Stellen Chinas», schrieb G. vergangenen September auf Anfrage dieser Redaktion. Durch die Tätigkeit im Europäischen Parlament «habe ich erst die öffentliche Stelle Chinas kennen gelernt». Das EU-Parlament reagierte noch am Dienstag und suspendierte Krahs Assistenten «mit sofortiger Wirkung». Krah sagte, er habe G. seinerseits freigestellt.

Möglicherweise wollte sich G. absetzen

Mindestens seit Anfang 2023 hatten Ermittler den Mann im Verdacht. Im Januar 2024 soll der Beschuldigte «wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament» an seinen nachrichtendienstlichen Auftraggeber weitergegeben haben. Für den Geheimdienst Chinas soll er chinesische Oppositionelle, die Falun-Gong-Bewegung, in Deutschland ausgespäht haben. Auch soll es um verteidigungspolitische Informationen zu kritischen Infrastrukturen in Europa gegangen sein.

Die Bundesanwaltschaft sprach am Dienstag von einer «Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall». Die Ermittler hätten sich jetzt zum Handeln gezwungen gesehen. Möglicherweise fürchteten die Fahnder, dass sich der Verdächtige absetzen könnte.

Die deutsche Regierung verschärfte den Ton gegenüber Peking, nachdem bereits am Montag drei Deutsche festgenommen worden waren, denen Spionage für China vorgeworfen wurde. «Wenn sich bestätigt, dass aus dem Europäischen Parlament heraus für chinesische Nachrichtendienste spioniert wurde, dann ist das ein Angriff von innen auf die europäische Demokratie», sagte Innenministerin Nancy Faeser.

Deutsche Behörden lehnten seine Dienste offenbar ab

Schon vor Jahren soll sich G. deutschen Behörden als Informant angedient haben. Man lehnte offenbar ab. G. ist seit Jahren an diversen Stellen in Deutschland aktiv, um Geschäfte zwischen der Volksrepublik und Deutschland voranzutreiben. Bekannte beschreiben ihn als Mann mit Wurzeln in China, der damals eine Import-Export-Firma für Solar- und LED-Technik führte.

Auch die Beziehungen zum AfD-Abgeordneten Krah haben eine jahrelange Vorgeschichte. Gemäss Ermittlerkreisen sollen Krah und Jian G. in Gründungsgespräche für einen Verein für wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zwischen Deutschland und China eingebunden gewesen sein. Im selben Jahr, 2019, beginnt G. in Krahs Büro in Brüssel als neuer Mitarbeiter.

Die Führung der AfD-Bundestagsfraktion zeigt sich skeptisch gegenüber den Vorwürfen. «Hat uns auch überrascht», sagte Bernd Baumann, der parlamentarische Geschäftsführer, am Dienstagmorgen. «Aber natürlich prüfen wir das.» Martin Sichert, der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, meinte, solange keine Belege gegen den Mitarbeiter Krahs vorlägen, würden die Reihen in der AfD geschlossen bleiben.

Seit Anfang Jahr sinken die Umfragewerte der AfD

Allerdings zeigen sich bereits jetzt Lücken in diesen Reihen. «Wir kotzen im Strahl», sagte ein namhafter Abgeordneter nach einer internen Sitzung dieser Redaktion. Der Abgeordnete bestand auf Anonymität, weil er weitere harte innerparteiliche Auseinandersetzungen fürchtet. Die Festnahme könnte nun die Chancen der AfD bei den anstehenden Wahlen Anfang Juni zum Europaparlament und im September in drei ostdeutschen Bundesländern weiter schmälern, so die Befürchtung. Seit Anfang Jahr sinken die Umfragewerte der AfD. «Mit dieser offensichtlichen Russlandnähe kommen wir nicht weiter», sagt der Abgeordnete. Krah solle aus der AfD austreten, um Schaden von der Partei abzuwenden.

Der Partei- und Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla sagte bei einem Presseauftritt im Bundestag, man werde sich noch mit Krah zusammensetzen und «weitere Schritte beraten». Das zeige, «dass wir die Fälle sehr ernst nehmen», sagte die Co-Vorsitzende Alice Weidel.

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