Bei 18- bis 24-Jährigen sind psychische Erkrankungen der Hauptgrund für eine IV-Neurente. Der Kantonsrat will dank einer Initiative von Jungpolitiker Benedikt Schmid handeln.
Darum gehts
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Am Montag hat der Zürcher Kantonsrat die Initiative «Gesunde Jugend Jetzt!» einstimmig angenommen.
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Die Initiative fordert, dass die Versorgung von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen verbessert wird.
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Zudem soll die Wartezeiten für therapeutische Angebote für Kinder und Jugendliche gesenkt werden.
Im Jahr 2022 haben 15’372 Personen krankheitsbedingt eine Neu-Rente der Invalidenversicherung erhalten. Für junge Menschen waren fast immer psychische Erkrankungen Grund für einen IV-Bezug, zeigen Zahlen des Bundesamts für Gesundheit: «In 88 Prozent der Fälle rutschen 18- bis 24-Jährige aufgrund von psychischen Problemen in die IV», sagt Benedikt Schmid, Co-Präsident der Partei Junge Mitte Kanton Zürich.
Die Situation bei der Prävention und der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen sei dramatisch, sagt der 22-Jährige: «Die psychische Belastung bei den unter 24-Jährigen hat sich massiv verschlechtert, trotzdem nimmt das Angebot in der Kinder- und Jugendpsychiatrie immer mehr ab.» Betroffene müssten teilweise monatelang auf einen Therapieplatz warten – was zum Suizidversuch führen könne. «Wir sind auf dem besten Weg, in eine psychosoziale Krise zu schlittern.»
«Tiktok macht krank»
Der Zürcher Kantonsrat habe am Montag den Handlungsbedarf erkannt und die Initiative einstimmig angenommen. «Ich bin überwältigt und erfreut», sagt Schmid. «Diese Zustimmung über die Parteilinien hinweg zeigt, dass das Problem ernst genommen wird. Die Regierung muss nun eine Strategie entwickeln, wie man langfristig eine Behandlungsaufnahme innert maximal sechs Wochen realisieren kann.»
Die gesundheitlichen und finanziellen Folgekosten wären sonst «extrem». So würden etwa rund die Hälfte der Zürcher Jugendpsychiater und -psychiaterinnen in den nächsten 10 Jahren über 70 sein. Nachfolger und Nachfolgerinnen seien keine in Sicht – im Gegenteil. «Investiert der Kanton Zürich jetzt nicht massiv in die Prävention und in die Ausbildung von Fachpersonen, wird es massiv eskalieren.»
Schmid betont, dass viele junge Menschen dringend Hilfe benötigten und sich aus Not sogar mit Antidepressiva aus dem Darknet selbst medikamentierten. «Es ist nicht so, dass sie einfach keine Lust haben, zu arbeiten, die Situation ist wirklich gravierend.» Bereits Corona habe Auswirkungen gehabt, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten tragen weiter zu einer Verschlechterung des Gemütszustands bei. «Wenn schon Kinder auf Tiktok Kriegsbilder und -videos sehen, überfordert sie das», sagt Schmid. Ständiges Vergleichen, Mobbing, überhöhte Beautystands – Social Media sei für ihn mitverantwortlich für die Krise. «Tiktok macht krank», sagt der 22-Jährige.
Zusätzliches Personal gefordert
Das Problem seien die Algorithmen auf der Plattform: «Wenn sich ein Kind oder ein Jugendlicher vertieft ein Kriegsvideos anschaut, zeigt es irgendwann nur noch derartigen Content an», sagt Schmid. Das Gleiche passiere auch, wenn man sich Videos von gefilterten Influencerinnen oder aufgepumpten Gymgängern ansieht. «Man kriegt das Gefühl, dass das alles echt ist und die einzige Realität abbildet.» Auch dort brauche es zusätzliche Regulierungen, die Schweiz müsse mit der EU die Unternehmen in die Pflicht nehmen.
Zunächst gelte es aber, die Betreuung von psychisch erkrankten Jugendlichen zu verbessern, sagt der 22-Jährige. «Verkürzte Wartezeiten in der stationären Behandlung sind nur mit zusätzlichem Personal, vermehrter Prävention und Anlaufstellen zu erreichen.» Es brauche eine stärkere Zusammenarbeit zwischen dem Gesundheits- und dem Bildungsdepartement. Der Regierungsrat habe nun bis am 24. Juni 2024 Zeit, einen umfangreichen Umsetzungsvorschlag vorzulegen. Eines sei klar: «Der Kanton Zürich muss mehr Geld investieren, als jetzt geplant ist.»
Hast du oder hat jemand, den du kennst, eine psychische Erkrankung?
Hier findest du Hilfe:
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
Kinderseele Schweiz, Beratung für psychisch belastete Eltern und ihre Angehörigen
Verein Postpartale Depression, Tel. 044 720 25 55
Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen
VASK, regionale Vereine für Angehörige
Selbsthilfegruppen
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Angst- und Panikhilfe Schweiz, Tel. 0848 801 109