Seit Daniela Klette in Kreuzberg gefasst wurde, werden Türen eingeschlagen und Leute mitgenommen. Es ist eine fast schon verzweifelte Suche nach den RAF-Terroristen Garweg und Staub.
Montagabend vergangener Woche. Polizisten klingeln an einer Wohnungstür in Berlin, Luftlinie dreieinhalb Kilometer von dem Bauwagenplatz entfernt. Eine Frau Mitte 60 macht auf, sie nennt sich Claudia. Ob sie sich ausweisen könne. Sie zeigt einen italienischen Pass. Aber die Polizisten sind sicher, dass das nicht ihr echter ist. Sie nehmen die Frau mit. Alles soll ganz ruhig abgelaufen sein, kein Geschrei, schon gar keine Schiesserei. Die Frau ist Daniela Klette. Gesucht wegen Raubes, versuchten Mordes und drei Terroranschlägen.
Der Revolutionär bewegt sich im Volk wie der Fisch im Wasser
So unspektakulär endet zumindest die Fahndung nach dem ersten Drittel der «RAF-Rentner», wie sie der Boulevard vor ein paar Jahren getauft hat. Aber da sind ja noch zwei: Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub.
Selbst erfahrene Ermittler hatten nicht mehr daran geglaubt, dass sich diese Jagd noch lohnt. Nach mehr als 30 Jahren. Aber jetzt stehen die Chancen wohl so gut wie nie, endlich Antworten zu finden auf die vielen Fragen, die noch offen sind. Was genau haben Klette, Garweg und Staub eigentlich im Namen der RAF getan? Wie schafften sie es, sich Jahrzehnte versteckt zu halten?
Als die RAF 1970 anfing, die Republik zu terrorisieren, hiessen die Terroristen Andreas Baader, Jan-Carl Raspe, Holger Meins, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin. Sie orientierten sich an einem Satz von Mao: Der Revolutionär müsse sich im Volk bewegen wie ein Fisch im Wasser. Mitschwimmen, nur nicht auffallen. 1972 nahm das BKA diese Metapher wörtlich, man wollte die Terroristen aufscheuchen. Strassensperren überall, Hubschrauber in der Luft. Am Tag nach der «Aktion Wasserschlag» gingen Baader, Raspe und Meins tatsächlich ins Netz.
Auch Klette, Garweg und Staub haben drei Jahrzehnte lang gelebt wie Fische im Wasser. Allerdings Fische mit Kalaschnikow, Panzerfaust und Pistolen, worauf noch einzugehen sein wird. Und auch jetzt soll eine Art «Wasserschlag» helfen, nach Klette auch Garweg und Staub zu finden.
Capoeira auf Facebook
30 Jahre hat die Polizei nach ihnen gefahndet, mit Plakaten, Beiträgen bei «Aktenzeichen XY…Ungelöst», erst neulich noch mal. Zielfahnder haben sogar in Spanien nach ihnen gesucht. Sie waren offenbar auch schon mal ganz nah dran. Einmal, in Cremlingen bei Wolfsburg, legten sie sich vor dem Dänischen Bettenlager auf die Lauer, es gab Hinweise, dass die Gesuchten einen Überfall planten. Tagelang passierte nichts. Die Beamten zogen ab. Kurz darauf schlug das Trio tatsächlich zu. 2016 war das. Dann jahrelang nichts, keine Überfälle, keine Spur. Bis zum vergangenen November. Da bekamen die Ermittler beim LKA Niedersachsen, das die Fahndung inzwischen vom BKA übernommen hatte, einen Hinweis. Was genau, das sagen sie bisher nicht. Aber er hat sie zu Klette geführt.
Bis dahin wussten sie ja nicht mal, wie sie inzwischen aussieht. Das aktuellste Foto, das sie von ihr hatten, stammt aus den Achtzigerjahren. Was die Ermittler erst vor Kurzem erfuhren: Es gibt längst gute aktuelle Fotos von Klette – die sind sogar seit Jahren auf ihrem öffentlichen Facebook-Profil einsehbar. 2011 hat sie sich dort als «Claudia Ivone» angemeldet. Sie lächelt frontal in die Kamera, eine ältere Dame. Die RAF-Terroristin beim Capoeira.
Und die Polizei muss sich jetzt Fragen anhören, warum sie das nicht viel früher mitbekommen hat, die Fotos waren jahrelang im Netz. Ein Bellingcat-Journalist, der für den ARD-Podcast «Legion» zu Klette recherchierte, fand die Bilder und darüber Klettes Decknamen mithilfe einer Gesichtserkennungssoftware schon vergangenen Herbst. Er brauchte eine halbe Stunde.
In aller Öffentlichkeit untergetaucht
Eine Wohnung mitten in Berlin, ein Facebook-Profil – ist das komplett verrückt, oder die perfekte Tarnung? Butz Peters muss nicht lang überlegen: «Untergrund heisst ja nicht, dass sie in der U-Bahn heimlich in irgendeinem Schacht oder einer dunklen Abstellkammer leben.» Nein, wer sich die Geschichte der drei RAF-Generationen anschaue, bemerke eines: «Die untergetauchten Mitglieder lebten in der Regel mit falschen Identitäten und hatten eine Reihe von Schutzmassnahmen getroffen, um nicht enttarnt zu werden.» Machen übrigens nicht nur Linksextreme so, sagt Peters. Die NSU-Terroristin Beate Zschäpe nutzte über die Jahre zig Decknamen.
Peters sitzt im hell ausgeleuchteten Besprechungsraum seiner Kanzlei in Dresdens Barockviertel. Er ist einer der profiliertesten RAF-Experten, Anwalt, war früher auch Journalist, leitete zu Hochzeiten der dritten RAF-Generation in den Wendejahren das Ressort Rechtspolitik des NDR, moderierte von 1997 bis 2001 «Aktenzeichen XY…Ungelöst».
Mindestens genauso lange wie Garweg, Klette und Staub im Untergrund waren, beschäftigt sich Butz Peters mit der Geschichte der RAF, er hat vier Bücher über sie geschrieben, kann Namen, Daten, praktisch alles über sie auswendig runterrattern. Zum Gespräch hat er eine schwarze Mappe mitgebracht, sein historischer Schatz. Erst am Tag vorher hat er ihn geschenkt bekommen von einem pensionierten Bundesgrenzschützer: Solche Mappen trugen Polizisten in den Achtzigern bei sich, um bei Personenkontrollen RAF-Mitglieder identifizieren zu können. Die Steckbriefe von Klette, Staub und Garweg sind in Peters’ Exemplar allerdings nicht abgeheftet, dafür zum Beispiel Horst Ludwig Meyer, wohl einer der Anführer der späten RAF, 1999 von der Polizei in Wien erschossen. Über die anderen drei wussten die Ermittler erst später Bescheid. Wobei sie lang nicht mehr wussten als die blosse Tatsache, dass sie dazugehörten.
Diese dritte Generation der RAF war viel vorsichtiger als ihre Vorgänger. Sie nutzte keine konspirativen Wohnungen mehr. Sie liess nicht mehr jeden mitmachen, der irgendwie Lust auf Revolution hatte. Nachrichtendienste nennen es das «Need-to-know-Prinzip»: Eingeweiht wird nur, wer für Aktionen unbedingt Bescheid wissen muss. Von Burkhard Garweg gab es nicht mal Fingerabdrücke, bis die Polizei jetzt seinen Bauwagen beschlagnahmt hat.
«Wir wissen nichts über die dritte Generation.»
Die RAF war wie eine Hydra: Verhaftete die Polizei ihre Köpfe, kamen neue nach. Als Andreas Baader und die anderen in Haft waren, entstand eine zweite Generation, die ihre Genossen aus der Haft freipressen wollte und dafür 1977 unter anderem Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer entführte und ermordete. Auch die zweite Generation landete im Gefängnis. Von 1982 an bildete sich dann die dritte. Auch Garweg, Klette und Staub kamen dazu. Wie genau und wer überhaupt alles dabei war, ist bis heute in weiten Teilen ein Rätsel. Peters sagt: «Wir wissen nichts, nichts, nichts über die dritte Generation.» Ausser, dass sie die wohl mörderischste von allen war.
Die Morde an zehn Menschen werden ihr angelastet, 1989 zum Beispiel an Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Alfred Herrhausen, ermordet mit einer Sprengfalle, 1991 an Treuhand-Chef Detlev Rohwedder, von einem Scharfschützen erschossen aus 63 Metern. Wer die Bomben gelegt und den Abzug gedrückt hat bei den Anschlägen, ist bis heute nicht klar. Der einzige Mord der dritten Generation, der als aufgeklärt gilt, ist der am GSG-9-Beamten Michael Newrzella 1993 durch Wolfgang Grams. Klette, Garweg und Staub sollen mindestens an drei Anschlägen beteiligt gewesen sein: 1990, als ein Kommando der RAF das Technikzentrum der Deutschen Bank in Eschborn bei Frankfurt sprengen wollte, aber der Zeitzünder streikte. 1991, als die Terroristen über den Rhein 250 Mal auf die US-Botschaft in Bonn schossen. 1993, als sie die noch nicht eröffnete JVA Weiterstadt in Hessen fast komplett in die Luft jagten. Es war der letzte Anschlag der RAF.
1998 erklärte sie sich für aufgelöst. Aber Klette, Garweg und Staub konnte die Polizei auch danach nicht finden. Das Spiel mit den Identitäten beherrschten sie.
Daniela Klettes gefälschter Pass soll auf den Namen «Claudia Bernadi» ausgestellt gewesen sein. Als Claudia lebte sie wohl zwanzig Jahre in einer 40-Quadratmeter-Wohnung in Berlin-Kreuzberg, deren Mieter ein Iraner gewesen sein soll. Ihr Name stand nicht am Klingelschild des grauen Zweckbaus in der Sebastianstrasse. «Nach allem, was man weiss, wirkt es schon so, als hätte Daniela Klette sich da in Kreuzberg schon für die Ewigkeit eingerichtet», sagt Butz Peters. Die Ermittler sollen dem Spiegel zufolge 1,2 Kilogramm Gold und 40’000 Euro in bar versteckt in ihrer Wohnung gefunden haben.
Über die nette Claudia aus dem fünften Stock haben alle im Haus auch nach ihrer Verhaftung ausnahmslos Gutes zu sagen: Sie verteilte zu Weihnachten Kekse an die Nachbarn, grüsste immer freundlich, half beim Ausfüllen von Formularen, gab Kindern Mathenachhilfe, sie soll sogar Müll am Strassenrand eingesammelt haben. Sie wurde öfter beim Gassigehen mit einem Hund gesehen. Auch Burkhard Garweg hatte Hunde, sie sind jetzt in ganz Berlin zu sehen, auf den Fahndungsfotos, die die Polizei auf digitalen Werbeflächen zeigt. Zufall, dass zwei der drei «RAF-Rentner» Hunde hatten? Nein, glaubt Butz Peters. Schon 1977 nutzten Mitglieder der ersten RAF-Generation Hunde, um Ziele auszuspionieren.
Zwischendurch ein Überfall
Nur manchmal brachen die drei wohl kurz aus diesem geregelten Leben aus – und überfielen in NRW und Niedersachsen mit Panzerfaust und Kalaschnikow Geldtransporter und Supermärkte. Die ersten DNA-Spuren von Klette, Garweg und Staub fand man nach Jahren der erfolglosen Fahndung 2015 nach einem Überfall in Stuhr bei Bremen. Deshalb führt auch die Staatsanwaltschaft Verden die Ermittlungen. Sie wirft den dreien sechs schwere Raubüberfälle und versuchten Mord vor.
Zwei Millionen Euro sollen sie seit 1999 auf ihren Raubzügen erbeutet haben. Aber auch der für Terrorermittlungen zuständige Generalbundesanwalt hat noch offene Haftbefehle wegen der Anschläge in Eschborn, Bonn und Weiterstadt. Daniela Klette sitzt zwar wegen der Überfälle schon in Niedersachsen in Untersuchungshaft, aber am Donnerstag wurde sie trotzdem mit dem Helikopter nach Karlsruhe geflogen, um ihr am Bundesgerichtshof auch den Terror-Haftbefehl offiziell zu eröffnen. Ein Schicksal, das auch Garweg und Staub erwartet, sollte die Polizei sie erwischen.
Wieso sind sie in Deutschland geblieben, wo das Risiko, entdeckt zu werden, am höchsten ist? Butz Peters sagt, die Ermittler hätten über die Jahre drei Hypothesen verfolgt, wo die Untergetauchten sein könnten: im europäischen Ausland, in Paris zum Beispiel, wo sich auch mal Mitglieder der zweiten RAF-Generation versteckten. Im Nahen Osten, in Libanon zum Beispiel, wo die alte Garde früher schon bei palästinensischen Terroristen untergekommen war. Oder in Deutschland und Österreich. Warum also ausgerechnet Berlin-Kreuzberg? «Wenn ich mich verstecken müsste, wäre Kreuzberg meine erste Wahl, das ist ein einmaliges soziales Biotop in Deutschland», sagt Butz Peters. «Sehr dicht besiedelt, in vielen Teilen traditionell linksalternativ, ganze Strassenzüge, wo man nicht so richtig durchblickt.»
Solidarität in Berlin-Kreuzberg
Kreuzberg war schon ein links-grünes Biotop mit Anspruch auf Weltrevolution, als Berlin noch geteilt war. Zu der Musik der Band Ton Steine Scherben und illustriert von Gerhard Seyfried lieferten sich hier in den Achtzigerjahren Hausbesetzer Schlachten mit der Polizei. Nach der Wende zog die militante Besetzerszene nach Friedrichshain, das Haus in der Rigaer Strasse 94 steht bis heute für die Kämpfe aus den Jahren nach 1990.
Beide Bezirke wurden 2001 zusammengelegt, nicht nur die Berliner Grünen haben hier ihre Hochburg, sondern auch linke Initiativen, Hausbesetzer oder die sogenannten Rollheimer, die in ihren Bauwagen zusammenwohnen. Diese Wagendörfer sind meist selbst organisiert, fast jeder, der sich an die wenigen Regeln hält, kann dort wohnen. So wie Burkhard Garweg. Woher einer kommt, warum er dort leben will, wie viel Geld er hat? Solche Fragen werden hier kaum gestellt. Ein idealer Rückzugsort für jemanden, der auf der Flucht ist.
Heute Samstag soll im Kreuzberger Teil eine Solidaritätsdemo für die drei Ex-RAFler stattfinden. Vor ein paar Tagen hat jemand am Kreuzberger Maybachufer schon eine Matratze an ein Geländer gelehnt, darauf stand: «Viel Kraft Daniela – und viel Glück Burkhard & Volker!»
Zu Ernst-Volker Staub sollen die Ermittler nach wie vor keine heisse Spur haben. Die immer verzweifelter anmutenden Suchmassnahmen in Berlin konzentrieren sich bisher vor allem auf Garweg.
Er soll noch vor Kurzem auf dem Rollheimerplatz gewesen sein. 130 Beamte vom LKA Niedersachsen, von Bundeskriminalamt und Berliner Polizei hatten das Grundstück am Sonntagmorgen mit gepanzertem Fahrzeug gestürmt. Spezialisten sicherten dort Spuren. Auf X gingen Videos um, wie ein Domino’s-Bote den Kriminaltechnikern offenbar spätabends Pizza liefert. Garwegs Bauwagen liess die Polizei abschleppen, um ihn untersuchen zu können.
Das Gelände hat der Verein «Edelrost» gepachtet. Auf der Brachfläche neben einer ehemaligen Papierfabrik unterhalte ein «anarchistisch orientiertes Kollektiv» Werkstätten für Automechaniker und Künstler, heisst es in einer Beschreibung des Projekts von 2015. Inzwischen wohnen dort auch rund zwanzig Menschen. Reden will keiner mehr, zu gross ist die Befürchtung, man könne als Unterstützer eines Ex-Terroristen gelten. «Das ist bedrohlich für den Verein in seiner Existenz», sagt Ulrich Kerner, der Anwalt des Vereins.
Kerner meint, es sei ziemlich ausgeschlossen, dass Garweg – sollte er dort gelebt haben – seine wahre Existenz preisgegeben habe. Ständig würden dort Leute kommen und gehen, es würden Partys gefeiert, auch der Kontaktbereichsbeamte der Polizei schaue immer mal wieder vorbei. Hätte sich Garweg da den Bewohnern offenbart, «dann bleibt der nicht 30 Jahre von der Polizei unentdeckt», sagt Kerner. Die Bewohner seien am Sonntag früh von dem Einsatz «vollkommen überrumpelt worden».
Fahndung läuft auch Hochtouren
Klar ist: Das LKA Niedersachsen, das nach wie vor die Fahndung leitet, lässt seit gut zehn Tagen kaum etwas unversucht, um die Flüchtigen zu fangen. Das LKA ist mit Dutzenden Beamten nach Berlin gefahren, auch eine Einsatzhundertschaft aus Niedersachsen soll dabei sein.
Mit Panzerwagen, Sprengsätzen und Spezialeinsatzkommando klappern die Beamten einen verdächtigen Ort nach dem anderen ab, als befürchteten sie, das gerade gewonnene Momentum wieder zu verlieren. Fünf Orte sind es bis Ende dieser Woche, alle liegen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg: erst am Sonntag das Edelrost-Gelände. Noch am selben Abend dringen Beamte in eine Wohnung in der Grünberger Strasse ein, dort soll eine Unterstützerin der Ex-Terroristen leben. Am Montagmorgen bricht die Polizei eine Wohnungstür in einer Strasse nahe dem Bauwagengelände auf. Wie der Spiegel herausfand, lebt dort offenbar eine ältere Dame, für die Garweg regelmässig einkaufen gegangen sein soll. In der Nacht auf Dienstag steht ein Spezialeinsatzkommando in einer Wohnung in einem Studentenwohnheim nahe dem Ostbahnhof. Wen die Polizei da vermutet hat, ist unklar.
Schon am Tag nach Klettes Festnahme haben Ermittler einen Mann festgesetzt. Selbst in Berliner Sicherheitskreisen heisst es erst, das sei Staub, dann, nein, doch Garweg. Vom Bauwagengelände wurden mehrere Personen mitgenommen, um ihre Personalien festzustellen. Auf einer Autobahnraststätte bei Darmstadt sollen einem Mann Handschellen angelegt worden sein. Sie alle durften bald wieder gehen. Garweg und Staub waren nicht dabei.
Dafür staut sich der Ärger bei der Berliner Polizei über das robuste Gebaren der Kollegen aus Niedersachsen.
Solche Einsätze auf fremdem Terrain sind immer konfliktträchtig: Als die sächsische Polizei nach dem Raub im Grünen Gewölbe in Dresden auch in Berlin ermittelte, fühlte sich die Hauptstadtpolizei in den Medien zu wenig für die Fahndungserfolge gewürdigt. Doch einen so grossen und langen Einsatz landesfremder Polizeikräfte wie diesmal hat es in Berlin bislang kaum gegeben.
Hinzu kommen Schnitzer: Nachdem das LKA Niedersachsen in der Wohnung von Daniela Klette die Panzerfaust, die Kalaschnikow und Pistolen gefunden hatte, warnte die Behörde in einer Erklärung vor dem «Gefährdungspotential für die Bevölkerung», das von den beiden noch Flüchtigen ausgehe. Die Polizeiführung in Berlin ist irritiert, solche Einschätzungen sind eigentlich Aufgabe der Behörden vor Ort. «Das hörte sich wie eine Gefahrenlage in Erinnerung an die RAF-Zeiten an», sagt einer aus dem Polizeiapparat. «Wenn die solche Erkenntnisse haben, sollen sie die auch belegen.» Alles andere führe nur zu Unruhe in der Stadt. Wenige Stunden später müssen die Kollegen aus Niedersachsen ihre Warnung offiziell widerrufen.
In den letzten paar Tagen wurden keine neuen Durchsuchungen mehr bekannt. Hat sich Garwegs Spur wieder verloren? Die Fahnder schweigen offiziell dazu, «ermittlungstaktische Gründe». Aber die Suche geht weiter. Es ist schliesslich die vielleicht letzte Chance, doch noch etwas zu erfahren über die bisher ungeklärten Taten der RAF. Butz Peters hofft wie die Ermittler, dass das gelingt. Bisher soll Klette zu den Vorwürfen geschwiegen haben.
Wenn er die Chance hätte, Daniela Klette in der Untersuchungshaft zu besuchen, welche Frage würde er ihr stellen? «Ich würde sie bitten, mir alles, wirklich alles zu erzählen, von Anfang bis Ende», sagt Peters. Um endlich zu erfahren, wer das war, diese dritte Generation der RAF, die so lang schon ein Phantom ist. Ob das Tage oder Wochen dauern würde, egal, sagt Peters. Ist nur die Frage, ob Klette ihm antworten würde.
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